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Bodypositivitiy auf Instagram – Treiber in die richtige Richtung oder gefährlicher Hype?

Die Hashtags #bodypositivity und #loveyourbody sind auf Instagram unter fast jedem Bild von Influencer:innen mit vielen Followern zu finden. Die Botschaften der Bilder: Liebe deinen Körper, wie er ist, nimm ihn an mit all seinen Fehlern, beuge dich nicht einem gesellschaftlich vorgeschriebenen Schönheitsideal. Doch können Hashtags auf Instagram tatsächlich dazu beitragen, die Bodypositivity-Bewegung zu bestärken?

Schon immer herrschten in jeder Gesellschaft bestimmte Ideale, die als „schön“ angesehen wurden. Heute gelten in westlichen Ländern Frauen als attraktiv, wenn sie eine sportliche, wohlproportionierte Figur vorweisen können. Von breiten Hüften und einer molligen Figur im Barock über eine Wespentaille, die nur mit eng geschnürtem Korsett erreicht werden konnte, bis hin zu androgynen Frauenkörpern Ende des 20. Jahrhunderts – angesagt und angestrebt war und ist, was der Großteil der Menschen eben nicht repräsentiert. Und trotzdem wurde Menschen, die offensichtlich nicht der gesellschaftlichen Norm entsprachen, schon immer der Zugang zu bestimmten Stellen verwehrt. Menschen mit sichtbaren körperlichen Behinderungen, aber auch Über- oder Untergewichtige erfahren im Alltag Diskriminierung, werden von Ärzt:innen nicht ernst genommen und finden keinen Zugang zum öffentlichen Diskurs.

„Heute gelten Frauen allgemein als attraktiv, wenn sie eine sportliche, wohlproportionierte Figur vorweisen können.“

Die Fat-Acceptance-Bewegung, die in den 1970er-Jahren gegründet wurde, wollte dem Aufmerksamkeit schenken. Daraus entwickelte sich mit der Zeit die Bodypositivity-Bewegung. Mit Aufkommen der sozialen Medien wurde der Bewegung eine Plattform geboten, mit der sie es schaffte, mehr Aufmerksamkeit zu generieren. Unter diversen Hashtags posieren sowohl normschöne Menschen als auch Personen, die eventuell nicht als normschön gelten und zeigen, was sie an ihren Körpern als „Makel“ identifizieren.

Social Media und ein positives Körperbild – Ein Widerspruch?

Eine davon ist die 22-jährige Jasmin, die sich auf ihrem Instagram-Account @endlich_zufrieden sowohl für Bodypositivity als auch für eine vegane Ernährungsweise einsetzt. „Für mich bedeutet Bodypositivity, positiv zu seinem und anderen Körpern zu stehen und aufzuhören, da eben Bodyshaming zu betreiben, sondern einfach Positivität überwiegen zu lassen“, sagt sie. Für sie ist Instagram für die Bewegung die perfekte Plattform, da die sozialen Medien diesem wichtigen Anliegen die richtige Grundlage bieten, von möglichst vielen Menschen weltweit erkannt zu werden. Dabei findet sie auch die Beiträge von Models und anderen Influencer:innen empowerend, die allgemein als „schön“ gelten. „Nur weil Leute jetzt so aussehen, wie andere denken, dass sie glücklich sind, heißt das ja nicht, dass sie glücklich sind“.

Kleine Dellen und Babyspeck an Frauen, die normalerweise als Schönheitsideal gelten, könnten also dafür sorgen, einen realistischeren Blick auf den menschlichen Körper zu entwickeln. Doch wie kann man selbst die Stufe erreichen, seinem Körper so positiv gegenüberzustehen? Für Jasmin war das einfach eine Frage der Zeit: „Man wird älter, man wird reifer.“ Mit der Einstellung zu ihrem eigenen Körper hat sich auch ihr Blick auf die Körper fremder Menschen geändert. „Mir ist im Grund egal, wie jemand aussieht.“ Natürlich habe jeder seine Vorlieben, aber das Wichtigste sei, sich nicht immer mitzuteilen. „Nur weil ich den Menschen oder seine Klamotten nicht attraktiv finde, heißt das ja nicht, dass man das verlauten muss.“

Mit der Bewegung im Konflikt stehen auf den ersten Blick vor allem Schönheitsoperationen und Diäten. Industrien, die mit der Unzufriedenheit der Menschen Geld verdienen, sind vielen Aktivist:innen ein Dorn im Auge. Für Jasmin schließt das eine das andere aber nicht unbedingt aus. Eine Veränderung an seinem Körper, ob nun durch eine Schönheitsoperation oder eine Diät, sei kein Indiz dafür, dass man seinen Körper nicht liebe. Durch Schminken oder Haare färben würde man seinen Körper ja auch in gewisser Weise verändern. „Wenn man das Eine schöner findet, heißt das ja nicht, dass man sich im Aktuellen weniger schön findet.“ Kritiker:innen dagegen bemängeln an der Bewegung vor allem, dass ein ungesundes Körperbild beworben und die Risiken von übermäßigem Übergewicht verschwiegen würden. Für Jasmin ist dies ein klarer Fall: „Klar, Übergewicht ist nicht gesund, aber sich jeden Tag tierische Produkte reinzuziehen ist auch nicht gesund, [zu viel] Sport machen ist nicht gesund, Energy Drinks sind nicht gesund, es ist alles nicht gesund und es juckt keinen. Nur weil ich übergewichtig bin, tu ich keinem weh. Dann ´schade` ich halt meiner eigenen Gesundheit, aber das tu ich ja mit vielen Sachen.“

Der Hype, der was bewegen kann

Die Bodypositivity-Bewegung auf Instagram kann mehr, als normschöne Frauen „normaler“ wirken zu lassen. Durch ihren Sprung in die sozialen Medien hat die Bewegung zwar an Oberflächlichkeit hinzugewonnen, denn nun schließen sich Menschen dem Hype an, den sie nicht verstehen und für mehr Reichweite nutzen wollen. Dadurch geht der Bewegung viel von ihrer ursprünglichen Intention verloren. Ob sich Menschen mit körperlichen oder geistigen Behinderungen oder auch People of Colour von der Bewegung noch angesprochen und vertreten fühlen, wo das dominierende Bild weiß und weiblich ist, ist fraglich. Doch ohne Zweifel erreicht die Bewegung mit ihrem Social Media-Auftritt besonders die jungen Mädchen, die an ihren Körpern zweifeln und sich unter berühmten Frauen ein Idol aussuchen, dem sie nacheifern wollen. Bilder auf Instagram von diesen Idolen mit Cellulite, Bauchspeck oder Falten könnten das Bild also wieder geraderücken. 

Die Bewegung hat sich verändert. Von einer Bewegung mit einem tatsächlichen politischen Auftrag hin zu einem Social Media-Hype, der mehr als nur ein Hype ist. Vielleicht schafft es die Bewegung, die Macht der sozialen Medien weiterhin für sich zu nutzen und wieder inklusiver, politischer und feministischer zu werden.

Beitragsfoto: Polina Tankilevitch / Pexels

Annika Schnabel

Hi! Mein Name ist Annika, Politik- und Ethnologiestudentin aus den Bergen, die es in die Großstadt Frankfurt verschlagen hat. Ich bin 24 Jahre alt und interessiere mich besonders für feministische und intersektionale Themen in der Gesellschaft und Politik. Im Schreiben und Recherchieren liegt meine absolute Leidenschaft.

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