Kategorien: FreizeitKultur

Festival-Saison: Mega-Events und die Coronakrise

In der Nacht zum Montag leuchteten in ganz Deutschland viele Clubs und Event-Firmen in rotem Scheinwerferlicht, der Verband der Musikspielstätten in Deutschland hat seit kurzem eine “Rote Liste” der gefährdeten Einrichtungen veröffentlicht, vor dem Clubsterben wird aber schon seit Jahren gewarnt. Die Coronakrise treibt im Eiltempo nun das voran, was längst begonnen hat. Ein Blick auf den Kalender verrät aber einen weiteren Bestandteil der Industrie für Musik-Events hin: die Festival-Saison. Ein Blick auf KünstlerInnen, Angestellte und Unternehmen.

Die großen Künstler und Künstlerinnen

Festivals und die Menschen, die daran beteiligt sind, haben mit völlig anderen Problemen als Clubbetreiber zu rechnen. Open Air statt Aerosol-Eldorado, Global Enterprises statt Local Entrepreneurs und David Guetta statt dem Dorf-DJ. Besonders die großen Acts, wegen denen die Events oft erst so viele Besucher anziehen, haben mit den Problemen der Coronakrise – im Gegensatz zu den kleineren KünstlerInnen – kurz- und mittelfristig nur kaum zu kämpfen. So erklärte beispielsweise die deutsche Rockband Tocotronic dem rbb, dass man sich auch ohne reich zu sein ein finanzielles Polster angelegt habe.

Noch besser sieht die Situation für die weltweit bekannten Musikproduzenten und DJs im Bereich der elektronischen Tanzmusik aus. Anstatt täglich um die Welt zu jetten streamen Stars wie Martin Garrix (“Animals“), Felix Jaehn (“Sicko“) und James Hype (“More Than Friends“) in der Corona-Krise regelmäßig Live-Sets über verschiedene Plattformen zu ihren Fans. In den letzten Monaten entstand regelrecht ein Überbietungswettbewerb immer ausgefallener Locations. So legte der Niederländer Oliver Heldens (“Turn Me On“), als Dirigent verkleidet im Royal Concertgebouw in Amsterdam auf, sein Landsmann Don Diablo (“Momentum“) von seiner Toilette aus.

Die Angestellten und beteiligten Firmen

Aktuelle Statistiken zu den im engeren Sinne Arbeitstätigen bei Musik-Events gibt es wenige, bei den größten Veranstaltungen arbeiten aber im Laufe des Jahres neben den wenigen Ganz-Zeit-MitarbeiterInnen oft weit über 10.000 Menschen, von der Technikerin bis zum Bühnenbauer, von der Planung bis zum Abbau. Viele Unternehmen stammen aus der jeweiligen Gegend, die durch Corona entstandene Auftragsstille verdichtet sich also nach Region.

Bedrohend ist dieser Umstand für die vielen mittelgroßen oder kleinen Firmen, die an der Umsetzung der Wünsche des Veranstalters beteiligt sind. Der Jungreporter hat für quick.reports Stimmen aus der saarländischen Eventbranche eingefangen, die Folge gibt es zum Anschauen auf unserem Instagram-Account oder in unserem Archiv.

Neben der immens bedrohten Veranstaltungswirtschaft, in der sich viele (Solo-) Selbstständige tummeln, leidet aber besonders in kleineren Gastgeberorten auch die Tourismusbranche, so beispielsweise im nordrhein-westfälischen Weeze (Parookaville), dem US-amerikanischen Indio (Coachella) oder dem belgischen Bloom (Tomorrowland).

Die Veranstalter

Auch bei den Unternehmen wird die Lage nicht übersichtlicher. Während hinter dem Wacken Open Air der Gigant CTS EVENTIM steht, ist es hinter dem Tomorrowland nur die verhältnismäßig kleine Antwerpener WEAREONE.world International. Finanzanalysen des Dienstleisters Finactum nach steht das Unternehmen derzeit mit mehreren Millionen Euro im Minus, trotz Umsätzen von je nach Quelle zwischen 100 und 200 Millionen Euro.

WEAREONE.world International wagt deswegen ein besonderes Experiment: Von Samstag, dem 25. Juli, bis zum Sonntag, dem 26. Juli, werden die Performances eines beeindruckenden Line-ups internationaler EDM-Größen über das Internet zu den Party-Improvisatoren nach Hause gestreamt, sogar die Tickets mit verschiedenen Preisstufen sind mit einem Einstiegspreis von 12,50 € günstiger, als so mancher erwartet hätte.

Aber auch das Parookaville hat nachgezogen, hier werden die Auftritte vor 100 ZuschauerInnen im Juli sogar exklusiv vom öffentlich-rechtlichen Radiosender 1LIVE übertragen. Wer dann doch genug auf die hohe Kante gelegt hat, gelangt aber wohl nur durch den Preis des Tomorrowland Home Party Ticket – XL von 200 € zum vollen Festival-Flair.

Beitragsfoto: Das Tomorrowland in Belgien zieht normalerweise eine Besucherzahl in Höhe einer Großstadt an. Während der Coronapandemie undenkbar. – Foto: unsplash.com

Vitus Studemund

Vitus Studemund kommt aus Aachen in Nordrheinwestfalen. Er beobachtet Protest, Politik und Aktivismus in seiner Region.

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