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Das verlassene Land – Syrien

Ein zerstörtes Land, hunderttausende Tote, Millionen Menschen auf der Flucht im und aus dem Land – ein vergessener Bürgerkrieg.

Verdrängt aus unserem Bewusstsein durch Ereignisse wie den US-Wahlen, der Corona-Pandemie und deutschem Wahlkampf findet knapp 3000 km Luftlinie von Deutschland entfernt nach wie vor ein gewaltsamer Krieg statt. Ein Krieg gegen den syrischen Präsidenten Assad, gegen Terrorkämpfer*innen, ein Krieg um Existenzen, um Leben und Überleben. 

Die Gründe für den immer noch andauernden Syrischen Bürgerkrieg sind vielfältig und verstrickt. Neben religiösen Unterschieden zwischen Sunniten und Schiiten, den zwei größten muslimischen Bevölkerungsgruppen des Landes, spielen auch soziopolitische und ökonomische Probleme eine große Rolle. Ausschlaggebend für den Konfliktbeginn war jedoch der Arabisch Frühling in den Ländern des Mittleren Westens, eine Welle politischer Reform ausgehend von Libyen. 

Durch Proteste im März 2011 versuchten Bürger*innen die Regierung zum Handeln und Umdenken zu bewegen, wurden jedoch gewaltsam niedergeschlagen. Seit 2012 stiegen auch die Terrormiliz IS in den Krieg mit ein und bekämpften nach einigen Brüchen mit den zunächst verbündeten Rebellen ausnahmslos alle anderen Kriegsparteien. Im elften Jahr des Bürgerkriegs hat sich die Situation verbessert, sie darf aber nicht vollständig aus unserer Wahrnehmung verschwinden.

Ausmaße des Konflikts

Trotz eines teilweisen Waffenstillstands zwischen den involvierten Parteien leben nach Angaben des UNO Flüchtlingshilfswerks mehr als 5,6 Millionen Syrer*innen im Ausland, weitere 6,2 Millionen sind innerhalb des Landes auf der Flucht. Das Land ist nach Schätzungen der Weltbank im Jahr 2017 zu mindestens einem Drittel komplett beschädigt und zerstört. Heute dürfte die Situation bereits weit größere Ausmaße angenommen haben. Laut Atlantic Council betragen die Wiederaufbaukosten nach mehr als 9 Jahren Bürgerkrieg mindestens 400 Milliarden Euro

Die humanitäre Situation für die Zurückgebliebenen hat sich durch Covid-19 erneut deutlich verschlimmert. Denn zu den Regulierungen, die bereits für uns in Deutschland und Europa belasten und kräftezehrend sind, kommen in Ländern wie Syrien, in denen Krieg herrscht oder die durch Krieg zerstört sind die ohnehin prekären Lebenssituationen hinzu. Nicht nur, dass viele in zerstörten Städten und Wohnungen leben, Millionen befinden sich zusammengepfercht in Flüchtlingslagern, in denen Abstandsregeln schlichtweg nicht einzuhalten sind.

Zusätzlich belasten immer wieder auftretende Naturkatastrophen das Leben vieler Menschen, vor allem von denen ohne festen und sicheren Wohnsitz. Erst Ende Januar diesen Jahres zerstören Regenfälle Zeltlager in der syrischen Provinz Idlib in denen viele syrische Geflüchtete leben. Durch den immer weiter fortschreitenden Klimawandel werden solche Ereignisse in Zukunft gehäufter stattfinden.

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Chancen für Rückkehr zur Normalität?

Um die Lage in Syrien zu verbessern, reicht es leider nicht nur auf die Zustände aufmerksam zu machen, es müssen vor allem seitens der Politik Taten folgen, um ein zerstörtes Land wieder aufzubauen. Es fehlt sowohl finanzielle als auch sonstige Unterstützung und scheinbar auch der Wille der westlichen Länder Lösungen zur Hilfe vorzutragen und voranzutreiben. Die tatsächlichen physischen Kosten der Zerstörung des Landes wurden bei einem Treffen der Wirtschafts- und Sozialkommission für Westasien (ESCWA) in Beirut im August 2018 auf rund 120 Milliarden Dollar (etwas mehr als 100 Milliarden Euro) geschätzt. Diese Angaben liegen unter der Schätzung des Atlantic Council, jedoch wird das Land auch von der geringer geschätzten Summe nicht mal einen Bruchteil stemmen können. Die syrischen im Land geblieben Einwohner und die zurückkehrenden Geflüchteten sind daher auf die Hilfe der westlichen Gesellschaft und Länder angewiesen. 

Deutsche Unterstützung?

Wie Deutschland dabei helfen wird, ist nach wie vor unklar. Die deutsche Regierung will Hilfen an eine gemeinsame Friedenslösung knüpfen aber man wolle, laut Regierungssprecher Steffen Seibert, einen Beitrag zum Wiederaufbau leisten. Das lässt Raum zu Interpretationen wann, wie viel und vor allem wie die Hilfen durchgesetzt werden könnten. Auch stellt sich die Frage, ob die Hilfen, wenn sie dann in Zukunft beschlossen sein sollten, nicht für viele Menschen bereits zu spät sind. 

Beitragsfoto: Unsplash / Aladdin Hammami

Anna-Marie Eisenbeis

Ich lebe seit knapp einem Jahr in Berlin und arbeite dort für ZDF heute. Ich studiere Politikwissenschaften und Soziologie und widme mich vor allem der Konfliktberichterstattung von vergessenen Konflikten weltweit. Journalismus ist dabei das wichtigste Sprachrohr für die sich in Not befindenden Menschen. Außerdem beschäftige ich mich viel mit Themen wie Gleichberechtigung, Menschenrechte und Nachhaltigkeit.

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