“Für jene, deren Rechte bedroht sind.” – Die Refugee Law Clinics

Die Refugee Law Clinics in Deutschland und auf der Welt arbeiten hart, um Geflüchteten bei Rechtsfragen Antworten zu bieten. Die Einrichtungen werden ehrenamtlich betrieben.
Freiwillige der Law Clinic
Freiwillige der Law Clinic Bild: RLC Saarbrücken

Die Refugee Law Clinics in Deutschland und auf der Welt arbeiten hart, um Geflüchteten bei Rechtsfragen Antworten zu bieten. Die Einrichtungen werden ehrenamtlich betrieben.

„Für jene, deren Rechte bedroht sind. Bei denen es dem Rechtsstaat oftmals zu bequem erscheint, genau hinzusehen“, so steht es im Leitbild der Refugee Law Clinics Deutschland, kurz RLC. Die RLCs bestehen hauptsächlich aus Jura-Studierenden, aber auch anderen ehrenamtlichen Mitarbeitern, die „morgens früher aufstehen und abends später zu Bett gehen“, um dort zu helfen, wo der Rechtsstaat manchmal eine Sehschwäche hat. Der Dachverband der Refugee Law Clinics in Deutschland zählt 35 Standorte (Stand Januar 2021), darunter auch ein Verein in Saarbrücken. Im Interview mit Hagen Wagner und Moritz Schneider, Mitglieder der örtlichen Refugee Law Clinic, hat Der Jungreporter erfahren, wie eine solche Rechtsberatung abläuft.

Unterstützt und beworben wird diese Refugee Law Clinic vom örtlichen Deutsch-Ausländischen-Jugendclub (DAJC), der die Terminorganisation übernimmt und die Räumlichkeiten zur Verfügung stellt.  Der Jugendclub hat in der Regel den ersten Kontakt zu den Geflüchteten und leitet sie dann an die RLC weiter. Zweimal pro Monat können Geflüchtete dann ihre Anliegen und Fragen in den offenen Beratungssprechstunden stellen. Um Sprachbarrieren zu überwinden, ist auch ein Deutsch-Arabisch-Dolmetscher vor Ort. In der Regel befinden sich die Beratungssuchenden in Saarbrücken nicht mehr im Asylverfahren, sondern haben schon einen Schutzstatus erhalten. Dementsprechend beziehen sich ihre Fragen oft auf den Familiennachzug und die Möglichkeit der Verbesserung des Aufenthaltsstatus. Neben reinem Informieren und Beraten, helfen die Berater*innen auch dabei, Anträge auszufüllen und Anschreiben zu formulieren. „Und dann gibt es noch Fälle von Leuten, die im Asylverfahren keinen Aufenthaltstitel bekommen haben und sich danach erkundigen, welche anderen Möglichkeiten ihnen offenstehen, denn es gibt ja außerhalb des Asylverfahrens auch Wege, wie man einen Aufenthaltstitel bekommen kann“, ergänzt Moritz Schneider. Einer dieser Titel ist beispielsweise ein Studienvisum. 

Das Prinzip der Law Clinics

Die Law Clinics, früher Legal Clinics, stammen aus den USA. Dort haben sie eine lange Tradition. Sie bieten kostenfreie Rechtsberatung für Student*innen, die sich keine reguläre Rechtsberatung in Form eines Anwalts oder einer Anwältin leisten können. Jurist*innen werden in den USA an sogenannten Law Schools angeboten und an diesen entwickelten sich dann schon Ende des 19. Jahrhunderts Legal Clinics. Die ersten Law Clinics gab es für das strafrechtliche Angelegenheiten, nach und nach kamen andere Rechtsgebiete hinzu. Die erste Law Clinic in Deutschland wurde 2007 an der Justus-Liebig-Universität in Gießen gegründet, sie ist eine auch eine Refugee Law Clinic.
 

Der Jungreporter hat ebenfalls die Vorsitzenden der Refugee Law Clinics Deutschland Antonja Keshmiri und Carolin Dierker im Interview getroffen. Antonja Keshmiri hat 2016 mit „Refugee Law Clinics abroad“ auf der griechischen Insel Chios in einem Flüchtlingscamp gearbeitet. In ihren Augen unterscheiden sich die Fragen, die heute in Deutschland gestellt werden, deutlich von den Fragen in Griechenland 2016.  Sie sagt: „Die Fragen heute, zielen darauf ab, mehr in Deutschland zu zetteln“, also Fuß zu fassen und etwas zu erreichen. 

In Griechenland hieß die Frage eher «Wie komme ich von hier Weg?», denn das Camp ist keine aushaltbare Situation, noch nicht einmal für einen Tag.

Antonja Keshmiri

Die Beratungen in der Stadt sind meistens kurzfristig und schon nach einem Termin erledigt, was zur Folge hat, dass sich die Interaktion zwischen Berater*innen und den Hilfesuchenden oft auf ein einziges Treffen begrenzen. Es ist „unterm Strich vielleicht ein gutes Zeichen“, dass die Berater*innen häufig keinen Kontakt mehr zu den Migrant*innen haben und „heißt, dass der Antrag angenommen wurde“, so Moritz Schneider.  Trotzdem wünscht er sich, öfter zu erfahren, wie die Fälle ausgehen, denn oft handelt es sich um lebensverändernde Entscheidungen. 

Manche Fälle erfordern aber auch eine längere Betreuung und vor allem Recherche. Alle Refugee Law Clinics unterliegen der Supervision, die überall etwas anders ausgeführt wird, aber in jeder RLC die Qualität der Beratung absichert. In Saarbrücken wird die Qualität der Beratung durch eine Ausbildung sichergestellt. Wenn man Berater*in werden möchte, muss man eine Vorlesungsreihe zum Thema „Asyl- und Ausländerrecht“ besuchen und im Anschluss Hospitationen und Praktika absolvieren. Diese Ausbildung bereitet die zukünftigen Berater*innen auf die Arbeit in einer RLC vor. Trotz allem gibt es Fragen, die auch ausgebildete Berater*innen nicht aus dem Stehgreif beantworten können. In diesem Fall haben die Berater*innen die Möglichkeit, Anwält*innen oder universitäre Jurist*innen, zu kontaktieren und sich über die entsprechende Gesetzeslage zu informieren.  Die Supervision trägt maßgeblich zur Qualitätssicherung in den einzelnen RLCs bei und sorgt auch dafür, dass die Arbeit in den RLCs überhaupt legal ist.

Rechtliche Grundlagen

Rechtsdienstleistungsgesetz: Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen (Rechtsdienstleistungsgesetz – RDG) regelt den Rahmen und die Voraussetzungen für außergerichtliche Rechtsdienstleistungen. In erster Linie soll das Gesetz Menschen vor falscher Beratung schützen. 
§ 6 Unentgeltliche Rechtsdienstleistungen erlaubt die Rechtsberatung, wie sie in einer RLC geleistet wird, insofern die Berater*innen durch ausgebildete Volljuristen ebenfalls aus- und weiter gebildet und im Einzelfall auch unterstützt werden. 

 

Neben der Supervision zählt im Dachverband auch die Vernetzung der einzelnen Standorte und die Zusammenarbeit mit den Universitäten, Behörden, der Anwaltschaft und karitativen Organisationen. Um die Vernetzung der RLCs auszubauen, wurde das durch die UNO Flüchtlingshilfe geförderte Projekt „RLC Mastermind“ gestartet. Durch „RLC-Mastermind“ können sich Mitglieder einer RLC, die für ein Aufgabenfeld, wie zum Beispiel Social Media zuständig sind, deutschlandweit austauschen und voneinander profitieren. Für spezielle Rechtsfragen bedarf es laut Antonja Keshmiri hingegen keines bundesweiten Projekts, denn „Das machen die Law Clinics untereinander selbst“, auch weil in manchen Fällen die Rechtslage von Bundesland zu Bundesland variiert. 

Im Jahr 2007 wurde die erste Refugee Law Clinic in Deutschland gegründet, seitdem  vergrößerte sich ihre Anzahl, so dass 14 Jahre später nur noch ein Bundesland, nämlich Bremen, ohne RLC auskommen muss. Carolin Dierker schätzt, dass jede der RLCs in Deutschland 100-400 Mitglieder*innen hat und mit 500 Mitglieder*innen ist die RLC Köln die Größte in Deutschland. 

Interview mit RLC Deutschland
“Der Jungreporter”-Redakteurin Sophie Jung im Gespräch mit Refugee Law Clinics Deutschland

Seit 2016 geht die Anzahl der Erstanträge auf Asyl in Deutschland zurück, von damals 722.370 auf heute 120.581. Heute hat eine andere als die sogenannte „Flüchtlingskrise“, Deutschland fest im Griff. Warum also ist die Arbeit in den RLCs dann noch wichtig? Darauf gibt es verschiedene Antworten. Eine davon liegt im Grundsatz der Einzelfallbetrachtung, den es in Deutschland gibt und bedeutet, dass jeder Antrag unabhängig von anderen, vielleicht auch ähnlichen Fällen betrachtet und beurteilt werden muss. Antonja Keshmiri erklärt: „Man darf beispielsweise nicht davon ausgehen, dass Geflüchtete aus Afghanistan sowieso kein Recht auf Asyl haben, weil es in dem Land doch gar nicht so unsicher ist und deshalb schaue ich mir die Geschichte nicht so individuell an“. Sie macht die Beobachtung, dass bei manchen Fällen „Parallelen gezogen werden, weil Eckdaten ähnlich sind, die dann dazu führen, dass der Grundsatz der Einzelfallbetrachtung herunterfällt. Denn auch Menschen, die vielleicht aus vermeintlich sicheren Staaten kommen, haben unter gewissen Bedingungen das Recht in Deutschland zu bleiben, wenn die eigene Sicherheit, das eigene Leben in Gefahr ist“. Durch die Pauschalisierung nach Herkunftsländern kann es dazu kommen, dass nicht mehr der Mensch im Mittelpunkt eines Verfahrens steht. Diesen Kritikpunkt haben die Refugee Law Clinics Deutschland in ihr Leitbild aufgenommen und versuchen mit ihren Mittel für mehr Gerechtigkeit zu sorgen. 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Ähnliche Beiträge
Weiterlesen

Wasser bleibt ein Menschenrecht

„Drink Healthy, Live Healthy!“: So lautet der Werbespruch einer der weltgrößten Nahrungsmittelkonzerne, der in Plastikflaschen abgefülltes Wasser verkauft.…