Bereits 30 Jahre sind seit der Deutschen Wiedervereinigung vergangen. Man könnte meinen, dass der Einheitsprozess abgeschlossen ist und dass das Ziel erreicht ist. Doch Unterschiede zwischen Ost und West bestehen immer noch, egal ob auf sozialer, politscher oder gesellschaftlicher Ebene. Wie setzt sich die junge Generation auch außerhalb des Geschichtsunterrichts mit dem Thema auseinander?
Die Wiedervereinigung ist ein Langzeitprojekt. Das bedeutet dementsprechend, dass sich auch die nächsten Generationen mit den Unterschieden in den neuen und alten Bundesländern beschäftigen und Grenzen überwinden müssen. Tatsächlich werden zahlreiche Projekte von Jugendlichen aufgebaut und organisiert, mit dem Ziel, Ost- und Westdeutschland näher zu bringen und die deutsche Einheit zu vollenden.
Drei Schüler aus Nordhorn, haben es sich zur Aufgabe gemacht, als Teil der neuen Generation die deutsche Einheit voranzutreiben. Sie nennen ihr Projekt „Vom Umbruch zur Einheit: Generation Z übernimmt“. Mit ihrem Film „Auf dem Papier vereint…entzweit im Leben?“ geben sie nicht nur Einblicke in die Geschichte und zeigen die Perspektive von Zeitzeugen, sondern nennen auch selbst konkrete Vorschläge. Zeitzeugengespräche und interne Austauschprogramme sollen dabei helfen, den Austausch anzuregen und, wie sie selbst sagen, wird gerade durch Begegnungen die Annäherung gefördert. Die Jugendlichen, die bereits als Preisträger des Umbruchspreises Erfolg haben konnten, belassen es aber nicht bei ihrem Film. Sie werden selbst aktiv und setzten ihre Ideen bereits um, indem sie Schüleraustausche und Zeitzeugengespräche in ihrer Heimatstadt organisieren.
Zudem haben sie beschlossen, ihren Beitrag beim Einheitspreis der Bundeszentrale für politische Bildung einzureichen. Dieser wird dieses Jahr anlässlich des 30-jährigen Jubiläums vergeben. Bereits zwischen 2002 und 2012 konnten sich diverse Preisträger über die Anerkennung freuen, die für Beiträge und Projekte vergeben wurden, die das Zusammenkommen von Ost und West und die Deutsche Einheit unterstützen.
In der Kategorie „Jugend“ des Einheitspreises der Bundeszentrale findet man weitere spannende Beiträge: Das Fallstein-Gymnasium Osterwieck ist bereits seit 2015 dabei. Schülerinnen und Schüler der 10. Klasse pflegen die Relikte der ehemaligen innerdeutschen Grenzanlage zwischen Wülperode (Sachsen-Anhalt) und Wiedelah (Niedersachsen) und beziehen ihr Grenzprojekt in ihren Unterricht mit ein. Wirft man einen Blick auf weitere Beiträge, wird schnell klar, dass sich die neue Generation insbesondere für Toleranz einsetzt. Mit „Colored Glasses“ und „Breathe in Break out“ sind zwei Projekte dabei, die sich für eine weltoffene und tolerante Gesellschaft einsetzten und Rassismus bekämpfen möchten. Bei diesen Projekten überzeugen die Jugendlichen vor allem mit ihrer Kreativität: Während „Colored Glasses“ kostenfreie Workshops an Schulen anbietet, organisiert „Breathe in Break out“ Musik- und Tanzveranstaltungen, um dem wachsenden Rechtsextremismus im Osten entgegenzuwirken und Jugendliche zu einem stärkeren Miteinander zu bewegen. Offenheit, Toleranz und Solidarität sind schließlich wichtige Elemente, die die Einheit ermöglichen.
Mehrere Projekte konnten sich dieses Jahr über einen Preis freuen. In der Kategorie Gold konnte zum Beispiel die Aktion „DistANCE“ überzeugen. Zusammen mit Schülerinnen und Schülern aus fünf Berliner Schulen wurde getanzt, um spielerisch das Thema der Deutschen Teilung und Wiedervereinigung zu behandeln.
Die Generation Z nimmt es also bereits selbst in die Hand, die Einheit zu vollenden und sich für ein solidarisches Miteinander stark zu machen. Auch wenn es noch einige Hürden zu überwinden gibt, scheint die junge Generation durch ihre zahlreichen Projekte und ihr Engagement die innerdeutsche Grenze überwinden zu können.
Beitragsbild: Junge Menschen laufen an der East Side Gallery in Berlin vorbei. Dieser Teil der Berliner Mauer wurde erhalten. Quelle: unsplash.com / Richard Bell
Interessante Beitrag!
Ich bin angehender Lehrer in Sachsen und werde mich bestimmt über einige der genannten Projekte mal genuaer informieren.
Ich möchte allerdings anmerken ,dass ich die Formulierung des wachsenden Rechtsextremismus im Osten als etwas pauschalisierend empfinde. Generell empfinde ich die Bezeichnung “der Osten” als eine ziemlich emotional und auch politisch vorbelastetete, die vorwiegend von Menschen aus den alten Bundesländern verwendet wird. Nur so als kleine Anmerkung.
Hallo Louis!
Vielen Dank für Ihre Rückmeldung. Wir werden in Zukunft darauf achten, den Begriff “der Osten” zu präzisieren. Die Projektgruppe “Breathe in Break out” kommt aus Halle, hofft aber auch dem Rechtsextremismus in den anderen Städten und Bundesländern Ostdeutschlands entgegenzuwirken. Laut der 10. Leipziger Autoritarismus Studie (2020) ist die Zahl der Menschen mit rechtsextremen Weltansichten in eben diesen Bundesländern in den letzten zwei Jahren von 8,5 auf 9,5 % gestiegen.(Link zur Studie: https://www.gwi-boell.de/sites/default/files/importedFiles/2020/11/18/Decker-Braehler-2020-Autoritaere-Dynamiken-Leipziger-Autoritarismus-Studie.pdf#page=28)
Liebe Grüße