Bardel. Über dem Tor zum Vorraum der Klosterkirche in Bardel ziert ein riesiges, buntes Mosaik die rote Backsteinwand. Ein Künstler gestaltete in den 60er-Jahren mit einer halben Million bunter Steinchen das Bild von Jesus Christus und dem Heiligen Franziskus. Beim Anblick des großen Vorhofs, den kunstvollen Bibelszenen, den großen schweren Kirchentüren und den braunen Kutten der Ordensleute macht sich Ehrfurcht breit.
Drei Brüder und zwei Patres leben noch hinter den Klostermauern. Pater und Priester wird, wer Theologie studiert hat. Wer eine abgeschlossene Berufsausbildung hat, kann als Bruder in den Konvent aufgenommen werden. In der sogenannten Klausur, dem Wohntrakt der Ordensleute, stehen viele Schlafräume leer, ganze Flure sind verwaist. Der wild gewachsene Garten im Innenhof des Klostergebäudes wirkt verwunschen. Ziemlich still ist es im Ordenshaus geworden, nur noch staubige Fotos an den Wänden der kalten Gänge zeugen von der Blütezeit des Ordens.
Das Büro von Pater Wilhelm im Schultrakt hat sich seit Jahren kaum verändert. Nach wie vor verschenkt er bunte Bänder mit lateinischen Aufschriften, die sich viele Schüler gerne um das Handgelenk binden. Noch immer liegen linierte und karierte Schulhefte für Schüler bereit, die ihres vergessen haben. Und noch immer steht die berühmte Qietscheente mit Franziskanerkutte und Tonsur auf dem Schreibtisch. „Kaum zu glauben, dass ich nun schon seit 40 Jahren fast täglich in diesem Büro arbeite“, stellt Pater Wilhelm fest.
Mit 19 Jahren, kurz nach seinem Abitur, trat Pater Wilhelm in den Franziskaneroden ein. „Ich war bereit, alles in meinen christlichen Glauben zu investieren“, erklärt er. Daran, das Handtuch zu werfen, hätte er noch nie gedacht. „Ich darf mich täglich mit Gott und Menschen beschäftigen. Das ist ein Privileg.“ Von dem Klischeé, Mönche würden ihr Leben lang streng, karg und voller Entsagung führen, will Pater Wilhelm nichts wissen. „Nichts davon trifft zu. Wir leben zwar einfach, haben aber ein Auto, Computer und gucken Fußball.“
Auf dem Bett eines typischen Schlafzimmers der Ordensleute liegt eine Bettdecke im Leopardenmuster. Mehr als ein Bett, ein Waschbecken, einem einfachen Schrank und einem kleinen Schreibtisch mit Stuhl ist in einem solchen Zimmer nicht. „Mehr brauchen wir eigentlich nicht. Mit dem Eintritt in das Kloster haben wir uns für ein Leben ohne Luxus entschieden“, erklärt Pater Wilhelm.
Der Franziskaner hat keine Illusionen: „Irgendwann werden wir uns überlegen müssen, ob wir das Kloster in dieser Größe erhalten können. Denn Nachwuchs kommt ins Kloster wahrscheinlich keiner mehr.“ Das Problem ist größer als der Franziskanerorden, denn ganz Deutschland scheint sich von der spirituellen Grundeinstellung zu entfernen. Diese Entwicklung ist gerade bei den Orden zu spüren. Immer wieder werden Konvente aufgelöst.
Auf die Frage, weshalb sich nur noch wenige junge Menschen für ein Leben im Kloster entscheiden, hat Pater Wilhelm keine Antwort. „Wenn ich das wüsste, würde mir vielleicht eine Lösung einfallen.“ Der Gottesdiener stellt eine Vermutung auf: „Jeder Mensch möchte glücklich werden. Viele junge Menschen suchen ihr Glück in materiellen Dingen – das widerspricht unseren Prinzipien.“
„Eines Tages wird das Kloster geschlossen, das steht fest.“ Angst vor diesem Tag hat der Priester aber nicht. „An diesem Ort wird schon seit vielen Jahren so viel Gutes getan. Von diesem Haus geht so viel Segen aus, dafür bin ich sehr dankbar.“ Die Franziskaner in Bardel haben sich der humanitären Hilfe in Brasilien verschrieben. Im Nordosten leben die ärmsten Menschen des Landes. Seit 1922 wurden ungefähr 300 junge Missionare nach Brasilien geschickt. Der Letzte vor mehr als 30 Jahren.
„Solange wie möglich geht unsere Arbeit hier weiter. Wir Franziskaner sind von Grund auf optimistisch. Wir sehen die vielen Dinge, die wunderbar laufen, nicht die Dinge, die nicht möglich sind. Ans Aufgeben denken wir gar nicht!“ Auf dem Rückweg fällt auf: Das große Mosaik an der roten Backsteinwand wirkt gleich ein wenig bunter.
Beitragsfoto: T. Konjer