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Jung & Organist: Passt das zusammen? Peter Speth im Interview

Peter Speth hat mit bereits vier Jahren seine Leidenschaft für das Orgelspielen entdeckt. Heute ist er 20 Jahre alt und hauptberuflich Organist. Seit 2014 begleitet er zahlreiche Gottesdienste.
Wir haben ihn für In unserer neuen Folge quick.reports haben wir ihn an seiner Lieblingsorgel in Fraulautern (Saarland) getroffen und durften viel über seinen Alltag erfahren.

Warum und wie bist du Organist geworden?
Peter Speth sitzt in der Orgel der Kirche “Heiligste Dreifaltigkeit” in Fraulautern, Saarland – Foto: Fabius Leibrock

“Wir haben 2001 in Fraulautern eine neue Orgel bekommen, für eine Millionen damals. Also das war ein ziemlich teures Instrument und ich bin relativ oft mit meinem Opa zu Orgelkonzerten gegangen, die damals stattgefunden haben, um die Orgel mithilfe von Spenden zu finanzieren. Ich fand den Klang immer faszinierend. Es gibt so viele verschiedene Möglichkeiten. Man kann eigentlich alles machen mit einer Orgel, sozusagen ist sie ein „Ein-Mann-Orchester“. Und gerade die Orgel in Fraulautern hat einen sehr warmen, runden und vollen Klang. Das hat nicht jede Orgel. Es gibt Orgeln die klingen richtig aggressiv, also die schreien regelrecht.

Wie ich jetzt im Endeffekt zum Orgelspielen gekommen bin: Ich wollte schon immer Orgel spielen lernen. Ich weiß noch bei einem Orgelkonzert damals in Fraulautern hat mich der Organist einmal an die Orgel gelassen, da war ich 4 Jahre alt. Der Klang war so faszinierend für mich, da wollte ich natürlich sofort Orgel spielen lernen, aber meine Beine waren einfach zu kurz. Dann habe ich Klavierunterricht bekommen, habe da natürlich keine Kirchenmusik gespielt, deswegen hat es mich auch nicht so sehr interessiert. Ich habe mir immer sehr sehr viel selber beigebracht. Ich habe mich dann ans Klavier gesetzt und habe versucht die Akkorde aus der Kirche, die ich noch im Ohr hatte nach zuspielen. Solange bis es sich irgendwann so ähnlich angehört hatte. So bin ich dann dazu gekommen und hab mir irgendwann gedacht: So komm, fragst einfach mal im Pfarrbüro, ob du den Schlüssel von der Orgel bekommst. Und das hat dann auch funktioniert. Dann habe ich dort oft geübt und wie das so ist, wurde man dann gefragt ob man mal einen Gottesdienst begleiten kann, falls mal der Organist krank wird. Ja, und das wurde halt mehr und mehr. Dann habe ich das C-Examen gemacht, damit ich was auf dem Papier habe. So ist das alles entstanden und mittlerweile sind es insgesamt 32 Kirchen, in denen ich spiele. Bei manchen Pfarreien habe ich einen Vertrag, bei anderen wird meine Arbeit über Stundennachweise bezahlt.”

Also kann man sagen, dass die Orgel wie eine Art “Liebe auf den ersten Blick” war?

“Ja, so kann man das natürlich sagen.”

Bist du damals dann auch oft in den Gottesdienst gegangen? Ist deine Familie sehr religiös oder warum bist du in die Kirche gegangen?

“Also meine Eltern sind eigentlich nie freiwillig in die Kirche gegangen, außer an besonderen Gottesdiensten. Ansonsten fand ich die Konzerte mit meinem Opa immer interessant. Was aber dazu kommt ist, dass ich Kirchen total faszinierend finde. Die Architektur und diese großen lauten Glocken, die Krach machen. Und so bin ich dann zur Orgel gekommen. Wenn ich mal in die Kirche gegangen bin mit meinen Eltern, dann weil ich Orgel hören wollte. Und dann sind die halt mitgegangen.”

Jetzt, wo du Organist bist: Was würdest du sagen ist das Beste an deinem Beruf?

“Ich bin ich ja kein 100%iger Organist. Ich bin ja noch nebenbei am Staatstheater des Saarlandes und leite einen Männerchor, aber Orgel ist natürlich da die Haupttätigkeit. Also das Beste ist, abgesehen, dass ich das machen kann was mir Spaß macht und etwas mit Musik zu tun habe ist eigentlich, dass man auch was für die Leute tun kann. Ich könnte mir nicht vorstellen den ganzen Tag im Büro zu sitzen. Mit Musik oder in dem Moment, wo man eigenverantwortlich an der Orgel sitzt und alle klanglichen Möglichkeiten hat, kann man gleichzeitig sehr viele Menschen erreichen. Man kann Menschen faszinieren, die sonst nie in die Kirche gehen oder an Hochzeiten kann dazu beitragen, dass es besonders festlich wird oder zum Beispiel auch auf Beerdigungen. Gerade da hat man viele Möglichkeiten mit der Musik den Menschen zu helfen. Es passiert natürlich auch mal, dass der Gottesdienst nicht ganz nach Plan läuft und dann hat man immer noch die Möglichkeit mit der Musik das Ganze ein wenig zu retten. Man hat ganz einfach sehr viele Möglichkeiten auf das Geschehen und auf die Menschen einzuwirken.”

Orgelkonzerte gab es in der Kirche in Fraulautern schon viele – u.a. von dem bekannten Organisten Jos van der Kooy – Foto: Fabius Leibrock

Wie sieht dein Berufsalltag aus?

“Es kommt immer darauf an.Also ich habe einen Vertrag bei der Gemeinde Fraulautern-Roden-Steinrausch als Organist/Kirchenmusiker, das heißt da habe ich feste Termine. Dazu zählen vor allem die Gottesdienste oder Beerdigungen zu denen man fährt und natürlich die Vorbereitung für diese. Man muss ja den Liedplan machen. Wenn man kein Konzertorganist ist und bei der Kirche arbeitet, dann muss ich mir natürlich Gedanken machen, was ich spielen muss. Ich muss also nachschlagen welche Lesung, sprich welches Evangelium vorgelesen wird und je nachdem muss ich dann natürlich wissen, welches der 700 Lieder im Gotteslob dazu passt. Ich habe auch noch einen weiteren, kleineren Vertrag in einer anderen Pfarrei und dann muss ich natürlich gucken, wie das alles passt.
Ansonsten leite ich die Chorproben und habe mit diesem Chor Auftritte und noch Proben im Staatstheater. Und leider leider gehört auch sehr viel Planung und Bürokratie dazu. Ich muss natürlich schauen, weil ich an zwei Pfarreien Verträge habe, wann ich bei wem welche Gottesdienste spiele. Dann noch die Proben. Da muss ich schauen, dass ich niemandem auf den Schlips trete. Ich versuche immer alles irgendwie unter einen Hut zu bekommen. Ich habe keinen freien Tag. Ich könnte natürlich mal Urlaub machen, aber das alles zu organisieren ist sehr schwierig. Es ist halt bei mir ein Vollzeitjob mit Telefonaten, E-Mails und und und. Ich finde solchen Papierkram ganz furchtbar.”

Was ist eigentlich dein Ziel bzw. Traum?

“In erster Linie ist der Anspruch, den ich an mich selber stelle, der, dass man es schafft möglichst viele Menschen für die Orgel zu begeistern. Denn in der heutigen Zeit sind die Besucherzahlen in den Kirchen natürlich rückläufig. Wenn man jetzt ein paar Jahrzehnte weiter denkt, dann sieht die Prognose eher nicht so gut aus. Unabhängig von der Kirche ist die Orgel aber ein super tolles Instrument, die einen großen Beitrag zur Musikgeschichte geleistet hat. Aus dem Grund ist mein Ziel den Menschen zu zeigen, was sie alles kann, damit es ihnen im Hinterkopf bleibt und dass sogar vielleicht manch einer Initiative ergreift und sagt: ja, ich will auch mal da oben sitzen.

Der Traum der meisten Organisten ist, mit entsprechenden Prüfungen und entsprechenden Möglichkeiten und Gelegenheiten an ganz großen, tollen Orgeln zu spielen, am Besten irgendwo im Dom. Wobei ich dazu sagen muss, das ist bei mir nicht unbedingt so. Für mich gibt es eigentlich nichts tolleres und besseres als in Fraulautern an der Orgel zu sitzen.
Ich sage immer: In Fraulautern an der Orgel ist der schönste Arbeitsplatz im ganzen Bistum Trier.”

Was würdest du an der heutigen Situation als Organist kritisieren?

“Es wird halt immer weniger. Die Leute die heute in die Kirche gehen, vor allem unter der Woche, sind meistens sehr alt. Wenn ich jetzt 10 Jahre in die Zukunft schaue sitzen da natürlich noch weniger. Aus dem Grund hat man immer eine gewisse Unsicherheit wie das dann mal kommt in den Ortschaften. Irgendwo gibt es immer Kirchen und immer wird mal irgendwo ein Organist gebraucht, aber es wird alles viel viel weniger. Es werden ja auch schon hier viele Kirchen zu gemacht, weil man es sich nicht mehr leisten kann, die zu unterhalten.
Es gibt viele Orte, abgesehen von Saarlouis, da sind wir ziemlich gut dran, da sind die Orgeln fast schon vergammelt, in jeder Hinsicht. Viele sind überhaupt nicht gestimmt, was das kleinste Problem ist, manche sind vom Schimmel befallen oder haben gerissene Pfeifen, kaputte Knöpfe und Register. Es ist kein Geld mehr da für eine Renovierung und es lohnt sich natürlich teilweise nicht mehr, wenn kein Publikum da ist. Die Kirche ist einfach nicht mehr so gefragt wie früher und ob sich das Ganze nochmal ändert ist auch sehr fraglich. Viele finden die Orgel interessant, auch junge Leute. Allerdings werden diese gar nicht erst hingeführt und kommen nicht in Kontakt, weil die Eltern bereits auch schon nicht mehr in die Kirche gehen. Wenn der Bezug fehlt und man noch nie eine Orgel gehört oder gesehen hat, wie soll man sich dafür dann interessieren?”

“Jung & Organist” – quick.reports

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Beitragsfoto: Fabius Leibrock

Frieda Krukenkamp

2019 habe ich mein Abitur in Saarlouis gemacht und bin danach zufällig auf Der Jungreporter gestoßen. Es macht mir super viel Freude Artikel über Erfahrungen und für mich bedeutende Themen zu schreiben und ich hoffe irgendjemand kann daraus einen Mehrwert ziehen.

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