Bolsonaro: Der brasilianische Trump

Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro fällt seit Jahren für seine polarisierenden Aussagen auf. Wie konnte er an die Spitze des größten Landes Südamerikas gewählt werden?
Donald Trump, ehemaliger US-Präsident im Gespräch mit dem brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro im März 2019. Foto: CC BY 2.0 flickr.com / Isac Nóbrega/PR

Jair Bolsonaro fällt seit Jahren wegen seinen polarisierenden Aussagen auf. Wie konnte ein Mann, der offen eine Militärdiktatur verherrlicht, regelmäßig gegen indigene Minderheiten hetzt und darüber hinaus auch noch homophob ist, Präsident des größten Landes Südamerikas werden? Die Gründe für seinen Erfolg sind ähnlich wie beim ehemaligen US-Präsident Donald Trump. Auch Bolsonaro provoziert ständig und lebt von Chaos und Ausnahmezustand. Doch das Phänomen Bolsonaro bröckelt. Seine Umfragewerte sind im Keller. Die Pandemie hat seine Regierungsunfähigkeit schonungslos aufgezeigt.

“Wenn ich Präsident werde, wird es keinen Zentimeter indigenes Gebiet mehr geben.“

Jair Bolsonaro, 1999

Der Anti-Korruptions-Ritter

„Sein ganzer Erfolg basiert auf linker Korruption“. So kommentiert Julian Seidenbusch, der ein halbes Jahr in Petrópolis in der Nähe von Rio de Janeiro gelebt hat, den rasanten Aufstieg des Jair Bolsonaros. Die Korruption ist das große Feindbild der Brasilianer. Die linken Vorgängerregierungen stempelt Bolsonaro als korrupt und kommunistisch ab. Auch die teure Weltmeisterschaft 2014 und die Olympischen Spiele 2016 boten viel Angriffsfläche für Bolsonaro. Es wurde der Eindruck vermittelt, dass für die Megaevents die Milliarden locker gemacht wurden, aber für soziale Unterstützung kein Geld da ist.

“Ja, ich bin homophob – und sehr stolz darauf.”

Jair Bolsonaro, 2013

Mittlerweile ist aber klar, dass sich auch Bolsonaro wenig für den Sozialstaat einsetzt. Ganz im Gegenteil: Bolsonaro ließ Arbeitsrechte aushebeln. Neben der angeblichen Korruptionsbekämpfung sagte Bolsonaro in seinem Wahlkampf auch der hohen Kriminalität den Kampf an. Der ehemalige Fallschirmjäger-Offizier ließ im Wahlkampf mit den Forderungen nach einem allgemeinen Recht auf Waffenbesitz sowie einem Recht für die Polizei, Kriminelle zu foltern und ohne Gerichtsverfahren zu exekutieren, aufhorchen. Die Themenschwerpunkte, die Bolsonaro gesetzt hat, kamen laut Julian Seidenbusch vor allem bei weniger gebildeten Leuten gut an. Alle Bolsonaro-Anhänger, die Julian Seidenbusch kennengelernt hat, waren Menschen, die in einfachen Berufen tätig waren.

Bolsonaro’s Suche nach einer politischen Heimat

Jair Bolsonaro begann seine politische Karriere bei der konservativen Partido Democrata Cristão. Eine politische Heimat fand er in dieser Partei allerdings nicht. In 28 Jahren wechselte Bolsonaro acht Mal die Partei. Am längsten (8 Jahre) war Bolsonaro Mitglied in der „Partido Progressista Brasileiro“ (PPB). Auch die PPB war eine konservative und wirtschaftsliberale Partei.

Schließlich wurde Bolsonaro Präsidentschaftskandidat der „Partido Social Liberal“ (PSL). Ab dem Zeitpunkt, an dem Bolsonaro das Ruder in der PSL übernahm verwarf diese ihr sozialliberales Profil. Wirtschaftlich blieben sie zwar liberal, gesellschaftlich jedoch positionierte Bolsonaro die Partei sehr rechtskonservativ. Kein Wunder, dass auch die kleine rechtsextreme „Partido Renovador Trabalhista Brasileiro“ (PRTB) Bolsonaro im Wahlkampf unterstützte.

“Mit Wahlen wird sich in diesem Land nichts ändern. Sondern nur mit einem Bürgerkrieg, in dem wir den Job machen, den die Militärdiktatur nicht erledigt hat: 30.000 Menschen töten.“

Jair Bolsonaro, 1999

In der Stichwahl um das Amt des Präsidenten konnte er sich dann mit 55,1% gegen den Kandidaten der sozialdemokratischen Arbeiterpartei „Partido dos Trabalhadores“ (PT) Fernando Haddad durchsetzen. Die PT war von 2003 bis 2016 an der Macht. 2016 wurde die Präsidentin Dilma Rousseff von der PT allerdings nicht abgewählt, sondern ihres Amtes aufgrund von Korruptionsvorwürfen enthoben. Bis zur Präsidentschaftswahl 2018 übernahm dann interimistisch Michel Temer die Regierungsgeschäfte. Bolsonaro ist zudem mittlerweile nicht mehr Mitglied der Partido Social Liberal. Der Grund für seinen Abgang waren Streitigkeiten mit den Vorsitzenden Luciano Bivar. Nach seinem Austritt gründete er seine eigene Partei – die Aliança pelo Brasil (Allianz für Brasilien).

Bolsonaro und das geliebte Militär

Bolsonaro gilt als Bewunderer der von 1964 bis 1985 in Brasilien herrschenden Militärdiktatur. Für Bolsonaro war die Militärdiktatur eine notwendige Revolution, um den Kommunismus zu verhindern. Dementsprechend lehnt der brasilianische Staatschef auch jegliche juristische Aufarbeitung der Diktatur ab.

“Der Fehler der Diktatur war, nur zu foltern und nicht zu töten.”

Jair Bolsonaro, 2016

In einem Radiointerview meinte der brasilianische Präsident, dass der einzige Fehler der Militärdiktatur war, nur zu foltern und nicht zu töten. Seitdem Bolsonaro zum Präsidenten gewählt wurde, strömten auch wieder die Militärs in die Politik und wurden von Bolsonaro mit viel Macht ausgestattet. Zudem wird ein Drittel von Brasiliens bundesstaatlichen Unternehmen von Vertretern des Militärs geleitet.

Der ständige Ausnahmezustand

Präsident Bolsonaro lebt vom Chaos. Oft wird dieses auch künstlich durch seine ständigen Tabubrüche erzeugt. Ständig provoziert der brasilianische Präsident und verbreitetet Falschnachrichten. Regelmäßig werden von Bolsonaro auch Minister ausgetauscht. Ganz nach dem „You’re fired“ Motto von Donald Trump entlässt Bolsonaro Kabinettsmitglieder, die ihm nicht mehr passen.

Schon in seiner Zeit als Offizier versuchte er durch Chaos die eigenen Interessen durchzusetzen. Einmal plante er eine Bombe im Waschraum einer Kaserne zu zünden, um einen höheren Sold durchzusetzen.

Muss Bolsonaro vor Lula Angst haben?

Aufgrund des katastrophalen Pandemiemanagements von Bolsonaro gingen seine Beliebtheitswerte stark zurück. Ob der Rechtspopulist bei der nächsten Präsidentschaftswahl 2022 wiedergewählt wird, hängt stark davon ab, ob der ehemalige Präsident von Brasilien Lula antreten wird. Lula ist bei den Brasilianern noch immer sehr beliebt und spricht nicht wie Bolsonaro vor allem einfache Leute an, sondern auch Bürgerliche und Intellektuelle. Julian Seidenbusch geht sogar davon aus, dass Bolsonaro gegen Lula überhaupt keine Chance hätte.

Beitragsbild: CC BY 2.0 flickr.com / Isac Nóbrega (PR)

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