Corona und Kunst – leere Museen, eingeschränkte Lehre, viele Fragen

Die Kunst- und Kulturszene hat es momentan alles andere als einfach. Wie gehen Museen und Hochschulen mit dem zweiten Lockdown um?
Ausstellung "Nearby - Wie Bilder zeigen!"
Ausstellung “Nearby – Wie Bilder zeigen!” im PEAC Museum. Foto: Bernhard Strauss

Zweite Welle, zweiter Lockdown, selbes Problem. Die Kunst- und Kulturszene hat es momentan alles andere als einfach. Das betrifft vor allem Musiker*innen, Schauspieler*innen und auch die Künstler*innen Deutschlands. In der aktiven Kunstszene fallen Ausstellungen aus. In der künstlerischen Lehre stehen Studierende und Professor*innen vor Bildschirmen anstatt Bildern. Wie gehen Museen, Künstle*innen und Hochschulen mit dieser Situation um?

Kunstszene

Galerien dürfen zwar weiter geöffnet haben, alle Museen sind aber geschlossen. Damit wurden Ausstellungen abgesagt oder verschoben und Künstler*innen stehen vor dem Aus eines elementaren Teils ihrer Arbeit. Öffentlichkeit. Denn Kunst ist Kommunikation, ist Ausdruck.

Gerade im Moment kriegen wir Rückmeldung das natürlich die Austellungsmöglichkeit fehlt. Das ist ohnehin ein knappes Gut. Möglichkeiten von Sichtbarkeit […] brauchen Künstler einfach um zu leben. Das ist eine ganz prekäre Situation.

Eveline Weber, wissenschaftliche Mitarbeiterin, Museum “Peak”, Freiburg im Breisgau

Denn erst aus diesen Möglichkeiten von Sichtbarkeit kommt man selbst, kommt die eigene Arbeit ins Gespräch und erst dadurch kann man diese Arbeit auch verkaufen. Museen versuchen dem mit einem erweiterten Online-Angebot entgegen zu wirken. Wenn man nicht ins Museum kann, dann muss das Museum halt zu einem nach Hause. Die städtischen Museen Freiburg bieten eine Online-Sammlung an. Die staatliche Museen in Berlin sogar 360°-Touren durch die eigenen Ausstellungen und die meisten städtischen und privaten Museen haben mittlerweile Instagram, Facebook und Co. Man könnte meinen, Kunst und Kultur schafft sich ganz einfach eine eigene Öffentlichkeit und digital durchs Pergamonmuseum zu schlendern ist ehrlich gesagt ein ziemlich guter Zeitvertreib. Vor allem die gegenwärtige Kunst mit ihren jungen Künstler*innen hat aber oft nicht die finanziellen und technischen Mittel und Möglichkeiten dazu. Und ehrlich gesagt: Wann wart ihr – ganz unabhängig von COVID-19 – das letzte Mal in einer Ausstellung die zeitgenössische Kunst gezeigt hat? Gerade hier sind dann soziale Netzwerke tatsächlich trotzdem nicht nur eine notdürftige Alternative sondern sogar langfristige Chance für alle aktiven Künstler*innen und für alle die bisher keinen Zugang zu (zeitgenössischer) Kunst hatten. Die Hemmschwelle in einen Museum zu gehen, Bilder anzusehen, zu lesen und Fragen zu stellen ist schließlich um einiges höher als sich einfach online auszutauschen. Und als aufstrebende*r Künstler*in hat man so ein Netzwerk in dem man Fragen stellen und Feedback bekommen kann. Trotzdem sei die Onlinepräsentation laut Weber niemals ein Ersatz für den Gang ins Museum.

Kunstwerke im Original sehen (kann) dem Besucher unglaublich viel bieten. […] Man hat diese Ebene von “Ich” und ein Bild-Gegenüber. […] Das zu entdecken ist eine ganz andere Angelegenheit als es jemals ein zweidimensionales Abbild bieten könnte.

Eveline Weber, wissenschaftliche Mitarbeiterin, Museum “PEAK”, Freiburg

Was in der Präsentation von Kunst – mit Einschränkungen – funktionieren kann wird in der bildenden Kunst schon schwieriger. Jeder kennt mittlerweile Onlinemeetings, Onlinevorlesungen oder Onlineunterricht. Aber Online künstlerisches Arbeiten lernen?

Studium und Lehre

Oft ist das Kunststudium unterteilt in Grundlagenklassen und ein weiterführendes Studium in einem spezifischeren Bereich. Das kann Malerei sein, Grafik, Bildhauerei aber auch Animation, Film oder allgemein mediale Bildbearbeitung. Letzteres ist Online einigermaßen gut durchsetzbar. Genauso wie theoretische Vorlesungen. Bei der Reflexion praktischer Arbeiten sieht das schon wieder anders aus.

“Da ist dann ziemlich schnell klar geworden, dass das ganze nicht so leicht ist, weil Farbe durch Kamera und Bildschirme verfälscht dargestellt werden und kleine Details oft einfach nicht so genau zu erkennen sind.”

Luisa, Studentin Kunst auf Lehramt “Universität Regensburg”, Regensburg

Vor allem zum Anfang des Studiums geht es viel um das Experimentieren mit (neuen) Materialen, um das Ausprobieren. Dass dabei Probleme und Fragen aufkommen, ist normal und normalerweise auch kein Problem. Selbst wenn man nicht genau weiß, was einem eigentlich stört. Man kann das eigene Bild ja einfach dem Dozierenden zeigen, sich Rat holen und diskutieren. Auch beim Vorstellen der eigenen Arbeiten vor Kommiliton*innen und Professor*innen bekommt man so ganz konkretes Feedback. Farbigkeit, Größe, Haptik und Materialität lassen sich über ein Foto mit einer (Handy-)kamera aber einfach nicht einfangen. Ist die Arbeit auf einen Rahmen gespannt? Auf was für einen? Wie weit ragt sie in den Raum rein? Und überhaupt: Wie wirkt das 10×10 Zentimeterabbild einer 2×2 Meter Arbeit in der Realität? Das alles sind Fragen die Online unmöglich zu beantworten sind.

“Alles was ich Online sehe und bespreche ist unter Vorbehalt. Es geht eben nicht ums Original.”

Shila Khatami, Gastprofessorin “Hochschule für Bildende Künste”, Braunschweig

An der HBK in Braunschweig ist der Präsenzunterricht momentan auf höchstens 30% reduziert. Treffen in der Klasse finden nur mit FFP2-Masken statt, im Atelier dürfen nur noch 7 anstatt 28 Studierende gleichzeitig arbeiten. An der Universität Regensburg finden manche Kurse durch eine Sondergenehmigung des Ministeriums in Präsenz statt, andere nur online. In Leipzig gibt es im Fachklassenstudium keine gemeinsamen Klassentreffen mehr, aber noch individuelle Treffen und treffen auf viel Platz in kleineren Gruppen. Überall fallen Exkursionen aus. Wie und was genau noch stattfinden darf hängt also vom Bundesland, der Stadt, der Hochschule oder Universität ab.

Wenigstens Einzelkonsultationen und Treffen in kleinen Gruppen sind aber meist noch möglich. In Braunschweig zum Beispiel können so in einem bestimmten Bereich erfahrenere Studierende ihren Kommoliton*innen helfen und die letzte Exkursion fand in zufälligen Zweierteams statt, die ihre Ergebnisse dann online ihren Mitstudierenden präsentieren konnten. Überall ist vor allem mehr Eigenverantwortung gefragt. Das sei aber nicht unbedingt eine Entwicklung ins Positive, sondern nur der Versuch, das Beste aus der Situation zu machen. So werden zum Beispiel theoretische Module vorgezogen und praktische vertagt. Alles in der Hoffnung das bald wieder mehr Normalität einkehrt.

Hilfe für Kunst und Kultur

Mehr Normalität, das wünschen sich auch die schon angesprochenen aktiven Künstler*innen, die ganz real vom Verkauf ihrer Bilder abhängig sind. Denn so romantisch das Bild des nur für sein kreatives Schaffen und fern von jedem Kapitalismus lebenden Künstler ist: Es macht leider nicht satt.

“Die Bundesregierung unternimmt in dieser Krise alles nur Mögliche, um Kultur- und Medienschaffende zu unterstützen und die Zukunft der Kultureinrichtungen zu sichern. “

NEUSTART KULTUR Quelle: Bundesregierung

Helfen soll die Initiative “NEUSTART KULTUR” der Bundesregierung. Die Regierung möchte damit vor allem Vereine, Einrichtungen, Unternehmen und Selbstständige unterstützen die von den temporären Einschränkungen betroffen sind. Auch Hilfspakete für Solo-Selbstständige und Kleinstunternehmen, Kurzarbeitergelder und ein vereinfachter Zugang zur finanziellen Grundsicherung wird gewährt. Viele Künstler*innen sind zudem in einer Künstlersozialversicherung. Auch hier sollen Zahlungsprobleme durch das Wegfallen von Einkünften aufgefangen werden. Außerdem bieten die einzelnen Bundesländer verschiedenste Hilfsleistungen für die Künstler*innen in ihrer Region. Trotzdem werden immer wieder und gehäuft Stimmen laut, die eine größere Unterstützung verlangen. Denn alle Kunstschaffenden auf der Grundsicherungsstufe halten ist zwar ein wichtiger erster Schritt, aber letztendlich für den Einzelnen immer noch unfassbar wenig – wenn man zum Beispiel weiter Miete für ein Atelier zahlen muss – und sorgt für das Aussterben des künstlerischen Mittelstandes.

Abgesehen von diesen Grundhilfen fördert die Regierung deswegen auch vor allem bildende Künstler*innen, Museen und Galerien. Mit Stipendien, Projektförderungen und einer geplanten Digitalplattform. Vieles davon rund um innovative Ideen für die digitale Kunst. Jetzt ist es aber nun mal nicht der kompletten zeitgenössischen Kunst möglich innovativ digital zu werden. Und langfristig fände, zumindest ich, das auch schade.

Deswegen lässt sich als Resümee nur eins wiederholen: Die Kunst- und Kulturszene hat es momentan alles andere als einfach – und was man genau dagegen tun kann, lässt sich schwer beantworten.

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