Massentierhaltung und schlechte Arbeitsbedingungen – Das Problem mit der Fleischindustrie

Wie kann man den Fleischkonsum reduzieren, ohne sich zu stark einschränken zu müssen? Diese Frage treibt Experten aber auch umweltbewusste Bürger seit Jahren um.
Verkaufsraum einer Metzgerei
Eine Fleischtheke Foto: unsplash.com / Jack Hunter

Wie kann man den Fleischkonsum reduzieren, ohne sich zu stark einschränken zu müssen? Diese Frage treibt Experten aber auch umweltbewusste Bürger seit Jahren um. Sie sorgen sich um das Tierwohl und um das der Menschen, die in dieser Branche ihr Geld verdienen. Dass diese Sorgen auch berechtigt sind, hat sich in den vergangenen Monaten während der Corona-Pandemie deutlich gezeigt.

Die Deutschen konsumieren gerne Fleisch, das ist seit Jahren bekannt. 2019 waren es laut Angaben des Bundesverbandes der Deutschen Fleischwarenindustrie rund 59,5 Kilogramm pro Kopf, unter Berücksichtigung des Gesamtverbrauchs mit Verbrauch von Tierfutter, industrieller Verwertung sowie Produktverluste kommt der Durchschnittsbürger sogar auf 87,8 Kilogramm. Insgesamt betrug die Nettoschlachtmenge Deutschlands 2019 laut einer BMEL-Statistik etwa 8,6 Millionen Tonnen.

Doch nur eine sehr geringe Menge davon war biologisch erzeugtes Fleisch. Zwar hat sich die Produktionsmenge von Bio-Fleisch laut Daten der Agrar-Informationsgesellschaft und der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung um 50 Prozent von 70.100 Tonnen im Jahr 2008 auf 105.800 Tonnen 2017 deutlich erhöht. Allerdings machte das 2017 nur einen Anteil von 1,28 Prozent der gesamten Fleischmenge aus.

Genau das kann zum Problem werden, in der Massentierhaltung vor allem für die Tiere. Denn in diesen Anlagen, in denen häufig tausende Tiere auf sehr engem Raum zusammenleben, kommt es immer wieder zu Verstößen gegen das Tierwohl. Dort leben und sterben allein in Deutschland etwa 763 Millionen Tiere pro Jahr. 2019 beispielsweise wurde bei kleinen und mittelständischen Unternehmen im Kreis Darmstadt eine Untersuchung zur Einhaltung der Tierschutzgesetze durchgeführt. Dabei wurden 678 Schlachtungen untersucht, bei 44% kam es zu Fehlbetäubungen. Die Tiere erlebten ihre Tötung also mit, berichtet die Albert-Schweitzer-Stiftung. Doch dies ist nicht alles. So müssen sich viele Tiere im Laufe ihres oft sehr kurzen Lebens verschiedenen Behandlungen unterziehen. Die Süddeutsche Zeitung berichtet, dass Schweine ihre Ringelschwänze abgetrennt bekommen. Auch Hühnern werden häufig die Schnäbel ohne Betäubung entfernt, um möglichst viele Tiere auf einer sehr geringen Fläche halten zu können. Hinzu kommen lange und für die Tiere anstrengende Transporte vom Haltungsort beispielsweise zum Schlachter. Um die Leistungsfähigkeit trotz der unnatürlichen Haltung zu steigern, bekommen die Masttiere zudem regelmäßig Antibiotika verabreicht. Diese können letztendlich auch schädlich für die Gesundheit der Menschen sein.

2020, das Jahr, in dem die Gesundheit dank der Corona-Pandemie ohnehin dauerhaft im Fokus stand, hat sich auch der öffentliche Blick auf die Fleischindustrie hierzulande verändert, erschüttert durch den heftigen Corona-Ausbruch beim Fleischkonzern Tönnies, bei dem sich 650 Mitarbeiter mit dem Virus infizierten. Plötzlich schaute ganz Deutschland auf die Menschen, die dort Tag für Tag unter schlechten Arbeitsbedingungen massenweise Schweinehälften zerteilen, damit alle sie günstig im Supermarkt kaufen können. 7.000 Menschen mussten im Kreis Gütersloh in Quarantäne, daraufhin entbrannte eine Diskussion, wie es dazu überhaupt kommen konnte. Dabei stehen schnell vor allem die Unterkünfte der Mitarbeiter in der Kritik. Die Menschen leben dort oft mit sehr vielen Mitbewohnern auf engstem Raum, bei Mehrfachbelegungen der Zimmer die Abstandsregelungen einzuhalten ist schlichtweg unmöglich.

Doch neben den Wohnheimen sind vor allem die Strukturen der Fleischindustrie ein großes Problem, was Anfang des Jahres nun eine breite Öffentlichkeit erreichte. Die Arbeitskräfte der Konzerne stammen meist aus Osteuropa und sind nicht beim Betrieb selbst angestellt, sondern bei sogenannten Subunternehmen. Diese stellen häufig auch die Unterkünfte zur Verfügung und wollen dabei vor allem eines: So viel Geld wie möglich sparen. Das wirkt sich infolgedessen auch auf die Bezahlung der Arbeiter aus. Sie bekommen teilweise ihre Überstunden nicht bezahlt oder ihr Urlaubsgeld wird einfach weggelassen.

Dieses Nicht-Zahlen von Gehältern hat in der Branche System. Doch die Fleischkonzerne sehen kaum andere Möglichkeiten als die Zusammenarbeit mit Subunternehmen. In der Wirtschaftswoche beklagen sie, dass sich in Deutschland kaum noch Arbeitskräfte finden lassen würden, die diese körperlich schwere Arbeit in den Kühlhallen verrichten wollen. Deshalb weiche man auf osteuropäische Arbeiter aus.

Die Bundesregierung möchte diese schlechten Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie nun nicht länger zulassen und kündigte kurz nach dem Corona-Ausbruch bei Tönnies an, die Werksverträge in Schlachthöfen komplett zu verbieten. Seit dem 1. Januar dieses Jahres gilt deshalb nun das Arbeitsschutzkontrollgesetz, das ein solches Verbot beinhaltet. Laut der Bundesregierung sollen deshalb ab sofort nur noch Angestellte des jeweiligen Betriebs die Tiere schlachten und zerlegen dürfen.

Neben den schlechten Arbeitsbedingungen beim Schlachter, verursacht durch die Subunternehmer, hat die Fleischindustrie jedoch noch mit einem weiteren Problem zu kämpfen, dem sogenannten Preisdumping. Vor allem für die kleineren Schlachthöfe kann dieses Phänomen die Schließung des eigenen Betriebs zur Folge haben. Denn die vier großen Supermarkt-Ketten Deutschlands decken etwa 85 Prozent des Marktes ab, 70 Prozent ihrer Fleisch-Angebote werden im Handel als Rabatte ausgewiesen. Die kleineren Unternehmen geraten so unter enormen Druck, ihre Preise so weit wie möglich zu senken, um genügend Abnehmer zu finden. So verdienen sie viel weniger an ihren Produkten. Außerdem essen die Deutschen gerne billiges Fleisch, was den Druck auf die Preise zusätzlich erhöht. Durch das massive Sparen entstehen dann im Endeffekt schlechte Arbeits- und Lebensbedingungen für Mensch und Tier.

Dem möchte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner nun entgegenwirken. So solle nun ein Preiswerbeverbot für Fleisch geprüft werden, um Lockangebote aus ethischen Gründen zu untersagen. Dies würde konkret bedeuten, dass Werbung für extrem billiges Fleisch in Zukunft verboten werden könnte. Das Verbot soll außerdem die Wertschätzung gegenüber Fleisch erhöhen, so Klöckner. Mehr Tierwohl und bessere Bedingungen für Arbeitskräfte seien nur möglich, wenn die Bereitschaft steige, mehr für Fleisch zu bezahlen.

Es gibt also genügend Faktoren, um das eigene Fleischkonsumverhalten und das der Gesellschaft noch einmal zu überdenken. Die Corona-Pandemie war der Anlass, Probleme wieder in den Fokus zu rücken, die zwar bekannt waren, jedoch längst in Vergessenheit geraten sind. Ob schlechte Arbeitsbedingungen oder mangelndes Tierwohl: Fest steht, dass dies zwei große Probleme unserer Zeit sind, die dringend gelöst werden müssen. Dabei sollte keiner als Einzelperson seinen Konsum ganz einstellen müssen, vielmehr sind alle als Gesellschaft gefragt. Es gilt, kreativ zu werden. Vielleicht kommt etwas öfter Gemüse auf den Speiseplan oder Gerichte werden neu erfunden, dem Erfindergeist sind keine Grenzen gesetzt. Und gut informiert fällt es dann vielleicht leichter, im Supermarkt auch mal zum teureren Fleisch zu greifen.

Beitragsbild: unsplash.com / Jack Hunter

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