Auf diese Staaten kommt es an: Eine Analyse zum Stand der US-Präsidentschaftswahlen

Wird Donald Trump als US-Präsident erneut gewählt? Am 3. November wird die vielleicht einschneidendste Wahl in der jüngeren Geschichte der USA stattfinden.
Eine wehende US-Flagge
Eine US-Flagge weht im Wind. – Foto: unsplash.com

Am 3. November wird die vielleicht einschneidendste Wahl in der jüngeren Geschichte der Vereinigten Staaten stattfinden. Wird Donald Trump als Präsident wiedergewählt? Oder schafft es Joe Biden, der unter Barack Obama als Vizepräsident diente, ins Weiße Haus? Die nationalen Umfragen sehen zurzeit Joe Biden im Vorteil, allerdings darf man eins nicht vergessen: wer gewinnt, entscheiden die einzelnen Staaten. 

Jeder Staat hat eine bestimmte Zahl an Wahlleuten, die sich an der Bevölkerungszahl orientiert. Insgesamt 538 Wahlfrauen und -männer werden von den Bundesstaaten entsandt, wobei in 48 von 50 Bundesstaaten das Prinzip „The winner takes it all“ gilt. Wer den Staat für sich gewinnt, ganz gleich ob mit einem Vorsprung von 2 oder 20 Prozentpunkten, der erhält alle Wahlleute für sich. Nur in Nebraska und Maine läuft das anders: Dort erhält der Gewinner der Bundesstaats zwei Wahlmänner, die restlichen gehen an den jeweiligen Sieger in den einzelnen Kongresswahlkreisen.

Bei vielen Staaten ist schon absehbar, wer gewinnt: Oklahoma (7 Stimmen) mit seiner starken Öl- und Gasindustrie und einer ländlichen, mehrheitlich weißen und besonders gläubigen Bevölkerung geht mit an 100-prozentiger Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an Donald Trump, während das divers geprägte, liberale Kalifornien seine 55 Stimmen an Joe Biden geben wird. Die sicher republikanischen Staaten sind die roten Staaten, während die sicher demokratisch wählenden Staaten als blaue Staaten bezeichnet werden. Und dann gibt es Staaten, wo das Rennen nicht von Beginn an ausgemacht ist, da Republikaner und Demokraten im Allgemeinen ungefähr gleich stark sind. Das sind die sogenannten Swing States, die eine Wahl in die eine oder andere Richtung „schwingen“ können, oder auch lila Staaten
Um zu verstehen, wie diese Wahl ausgehen könnte, lohnt es sich, einen Blick auf die Swing States zu werfen, sowie auf jene Staaten, bei denen das Rennen knapper als üblich ausgehen könnte.

Die komplett offenen Staaten

In dieser Kategorie finden sich einige „klassische“ Swing States wieder, aber auch Staaten, die jahrzehntelang zu einer der beiden Parteien tendierten.

Joe Biden
Joe Biden bei der “Clark County Democratic Party” 2020 in Las Vegas im US-Bundesstaat Nevada – Foto: CC BY-SA 2.0 / Gage Skidmore

Der klassischste aller Swing States dürfte Florida mit seinen 29 Wahlmännerstimmen sein. 2016 stimmte Florida mit einem Vorsprung von 1,2 Prozentpunkten für Donald Trump, vier Jahre zuvor hatte der Staat noch Barack Obama mit 0,9 Punkten Vorsprung unterstützt. Es ist also davon auszugehen, dass das Rennen auch dieses Jahr wieder sehr knapp sein wird. In den letzten vier Jahren war Florida für die Demokraten so etwas wie ein hoffnungsloser Fall: Bei den Halbzeitwahlen 2018 verloren die Demokraten dort bei einer sonst guten nationalen Ausgangslage ihren Senatssitz und konnten trotz eines energisch geführten Wahlkampfs auch nicht das Gouverneursamt hinzugewinnen. Viele Pensionäre, die tendenziell konservativer wählen, zieht es nach Florida. Und unter den im „Sonnenscheinstaat“ wohnenden Hispanics – eine eigentlich eher demokratische Wählergruppe – befinden sich viele Exilkubaner, die mehrheitlich republikanisch wählen, wovon Donald Trump 2016 profitierte. Dementgegen steht allerdings ein wachsender Bevölkerungsanteil an Afroamerikanern, einer Kernwählergruppe der Demokraten, und dass Joe Biden bei Älteren laut Umfragen besser ankommt als Hillary Clinton. Es bleibt also spannend.

Arizona hingegen ist ein anderer Fall. Die 11 Wahlmännerstimmen des Staats gingen 2016 noch an Donald Trump, der mit einem Vorsprung von 3,5 Prozentpunkten siegte – Das war das schlechteste Ergebnis der Republikaner in diesem Bundesstaat seit 1996. Die Heimat republikanischer Ikonen wie Barry Goldwater oder John McCain gilt als Hochburg von Anti-Trump-Republikanern. Es gibt viele, vor allem in den Vorstädten lebende Wähler, die sich in der politischen Mitte verorten und jetzt die Demokraten anstelle der Republikaner unterstützen. Außerdem wächst die Bevölkerungszahl an Hispanics in Arizona. Diese beiden Trends zugunsten der Demokraten führten dazu, dass vor zwei Jahren bei den Midterm-Wahlen erstmals seit einem Vierteljahrhundert ein Senatssitz im „Grand Canyon State“ an die Demokraten ging. Zusätzlich konnten sie einen Kongresswahlkreis sowie die Wahlämter des Secretary of State (entspricht in etwa einem Innenminister) und des Bildungsministers von den Republikanern hinzugewinnen. Dieses Jahr findet dazu noch eine Nachwahl für den Sitz des verstorbenen Senators John McCain statt, bei der es für die Demokraten sehr gut aussieht. Nach mehr als zwanzig Jahren ist ein „blaues Arizona“ keine Utopie mehr, sondern könnte im November Realität werden.

US-Präsident Donald Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung
US-Präsident Donald Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung im Februar in Phoenix, Arizona – Foto: CC BY-SA 2.0 / Gage Skidmore

Pennsylvania (20 Stimmen) und Wisconsin (10 Stimmen) waren bis 2016 Teil des „blauen Mauer“, einer Gruppe an Staaten, die bei jeder Wahl nach 1988 für die Demokraten stimmte. Auch wenn beide Staaten bei vorherigen Wahlen schon umkämpft waren, so hat sich kaum ein republikanischer Präsidentschaftskandidat auf sie so sehr fokussiert wie Donald Trump. In den zwei Rust-Belt-Staaten lief für Donald Trump alles richtig: Die ländlichen Gebiete stimmten mit großem Vorsprung für die Republikaner. Gewerkschaftsnahe, demokratisch wählende Arbeiter der Schwerindustrien wandten sich nach Jahrzehnten den Republikanern zu. Die Vorstädte der urbanen Zentren wiesen keinen so starken Trend zu den Demokraten auf wie erwartet. Und die Demokraten vermochten es nicht, ausreichend viele Afroamerikaner in Großstädten wie Milwaukee oder Philadelphia an die Urnen zu bringen. Die Halbzeitwahlen 2018 bestätigten entsprechende Trends teilweise. Zwar konnten die Demokraten in beiden Staaten ihre Senatssitze verteidigen und gewannen die jeweiligen Gouverneurswahlen, allerdings konnten die Demokraten in ihren einstigen Hochburgen kaum hinzulegen. Ob Joe Biden das kann, bleibt abzuwarten.

Georgia (16 Wahlleute) und North Carolina (15 Wahlleute) hingegen gehören zum sogenannten „Sun Belt“ – Im Gegensatz zum Rust Belt floriert hier die Wirtschaft. North Carolina stimmte 2008 für Barack Obama und ging seitdem jeweils nie mit mehr als vier Punkten Abstand an die Republikaner. Georgia war einer der wenigen Staaten, in denen die Demokraten 2016 besser abschnitten als 2012. Beide Südstaaten haben viele Gemeinsamkeiten: eine starke schwarze Minderheit, eine noch stärkere, sehr konservative weiße Landbevölkerung und die Suburbs, deren Bevölkerung am meisten vom Aufschwung profitiert. Trumps Populismus kommt in beiden Staaten schlechter an als der „mitfühlende Konservatismus“ George Bushs oder Mitt Romneys wirtschaftsliberaler Kurs. Die zentristische Ausrichtung Joe Bidens im Wahlkampf könnte dazu beitragen, dass diese Wechselwähler endgültig demokratisch wählen, wie es im 6. Kongresswahlbezirk Georgias, einer einstigen republikanischen Hochburg, 2018 geschehen ist. Neben dem Rennen um die Präsidentschaft finden in den Staaten noch Wahlen zum Senat statt, in Georgia sogar zwei (eine reguläre und eine Nachwahl). Dieser Faktor dürfte viele Wähler zusätzlich mobilisieren. Wer davon am stärksten profitiert, ist noch nicht zu sagen.

Nur wenige haben den 2. Kongresswahlkreis Nebraskas mit seiner einen Stimme im Electoral College auf dem Schirm. 2008 konnte Barack Obama den Wahlkreis für sich gewinnen, 2012 gewann ihn dann Mitt Romney, 2016 Donald Trump, aber nur mit zwei Prozentpunkten Vorsprung. Der Distrikt umfasst die größte Stadt Nebraskas, Omaha, aber auch konservative Vorstädte. Wird die gesamte Präsidentschaftswahl extrem knapp, dann könnte es auf die eine Stimme aus diesem Wahlkreis ankommen.

Staaten mit einer leichten Tendenz

In diesen Staaten hat eine der beiden Parteien zurzeit einen leichten Vorteil, der aber für die andere überwindbar ist. Nur weil diese Staaten jetzt eher einem Lager zuzurechnen sind, heißt das nicht, dass sie im November auch für diesen Kandidaten stimmen werden. 

Michigan mit seinen 16 Elektoren gehört in diese Gruppe – zugunsten Joe Bidens. Zwar konnte Trump dort 2016 mit einem Vorsprung von 10.000 Stimmen siegen, allerdings ist Michigan von den drei Rust-Belt-Staaten, die 2016 überraschend an ihn gingen, der demokratischste. Die Wahlbeteiligung der vor allem in Detroit lebenden Schwarzen dürfte dieses Jahr höher ausfallen. Trumps Angriffe auf die demokratische Gouverneurin Gretchen Whitmer kamen bei vielen Einwohnern gar nicht gut an. Barack Obama siegte in Michigan mit 17 (2008) bzw. 10 (2012) Prozentpunkten Vorsprung. Es spricht viel dafür, dass der Sieg Donald Trumps nur einmalig war. Joe Biden hat insgesamt einen leichten Vorteil, aber eben nur einen leichten. 

Nevada (6 Stimmen), Minnesota (10 Stimmen) und New Hampshire (4 Stimmen) gingen 2016 mit einem Abstand von unter drei Prozent an Hillary Clinton. In Nevada leben viele Hispanics, die wie erwähnt eher demokratisch wählen. Minnesota, das durch den tragischen Mord an George Floyd in den Fokus der Aufmerksamkeit gelangte, ist zwar nicht so divers, hat allerdings einen großen Anteil an weißen Wählern mit College-Abschluss, die ebenfalls tendenziell für die Demokraten stimmen. Und in New Hampshire ist Donald Trump trotz einer eher ländlichen Bevölkerungsstruktur ziemlich unpopulär. Auch wenn durchaus eine Chance besteht, dass Trump diese Staaten gewinnen könnte – Momentan sieht es so aus, dass die insgesamt 20 Wahlleute dieser Staaten am Ende in Joe Bidens Lager eingeordnet werden können.

Texas ist hat satte 38 Stimmen im Electoral College – und war bisher ein klar republikanisch wählender Staat. Donald Trump gewann den Staat mit gut neun Punkten Vorsprung, allerdings hatte Mitt Romney den „Lone Star State“ 2012 noch mit 16 Prozentpunkten Vorsprung geholt. 2018 schaffte es der Demokrat Beto O’Rourke beinahe, den Sitz des erzkonservativen Ted Cruz im Senat zu gewinnen. Die republikanische Bastion diversifiziert sich zusehends, vor allem der Bevölkerungsanteil der Hispanics steigt. Umfragen deuten auf ein knappes Rennen hin. Donald Trump hat zwar einen Vorteil, aber eine allzu große Überraschung wäre es nicht, sollte hier im November erstmals seit 1976 ein Demokrat siegen.

Iowa (6 Stimmen) und Ohio (18 Stimmen) sind einstige Swing States, in denen Donald Trump – für die meisten Beobachter überraschend deutlich – mit mehr als acht Punkten Vorsprung siegte. Sowohl in Iowa als auch in Ohio sieht es für die Demokraten in der Zukunft ziemlich düster aus: Die ländliche Bevölkerung und die Angehörigen der white working class wenden sich immer weiter von ihnen ab, die Staaten sind kaum divers und haben nur wenige wachsende urbane Zentren. Die Demokraten konnten jedoch 2018 in Iowa drei der vier Kongresswahlbezirke erobern (und damit sogar zwei hinzugewinnen) und in Ohio ihren Senatssitz verteidigen, zudem stellt sich die unbeliebte republikanische Senatorin Joni Ernst in Iowa zur Wiederwahl. Donald Trump bleibt dennoch angesichts der Trends in seine Richtung der Favorit, wenn auch nur relativ knapp. 

Ähnlich sieht es im 2. Kongresswahlkreis Maines aus, der 2016 deutlich an Donald Trump ging. Der äußerst ländliche Wahlkreis ging bei den Midterms 2018 allerdings an einen moderaten Demokraten. Ein Sieg Joe Bidens ist dort nicht völlig auszuschließen.

Staaten mit einer signifikanten Tendenz

Hier hat ein Kandidat einen sehr klaren Vorteil, aber keinen überwältigenden. Diese Staaten sind wahrscheinlich nicht wahlentscheidend, könnten aber im Verlauf des Wahlkampfs zunehmend umkämpft werden. 

Für Joe Biden sind das die Staaten Colorado (9 Wahlleute), New Mexico (5 Wahlleute) und Virginia (13 Wahlleute). Hillary Clinton gewann sie alle mit einem Abstand von unter zehn Punkten gegenüber Donald Trump. 2004 gingen noch alle drei Bundesstaaten an die Republikaner. In allen drei Staaten gibt es ein deutliches Wachstum demokratischer Kernwählergruppen: In New Mexico sind es die Hispanics, in Colorado und vor allem Virginia die Weißen mit College-Abschluss. Ein Sieg Donald Trumps ist zwar nicht ausgeschlossen, aber äußerst unwahrscheinlich. Das gleiche gilt für die zwei Stimmen des Gesamtstaats Maine. Die langfristigen Trends dort sind zwar vielversprechend für die Republikaner, allerdings hat der extrem liberale erste Kongresswahlbezirk mehr Einwohner als der zweite, tendenziell konservativere Wahlkreis. 

Alaska (3 Stimmen) ging mit einem zweistelligem Vorsprung an Donald Trump. Mit seiner kleinen Wählerschaft, darunter viele Ureinwohner Amerikas, ist der Staat allerdings kaum berechenbar, nur wenige tausend Stimmen können prozentual viel ausmachen. Seit 2000 wurde Alaska mit jeder Wahl im Schnitt 3,5 Prozentpunkte „blauer“, wovon Joe Biden profitieren könnte. Bereits vor vier Jahren wurde von einigen Beobachtern gemutmaßt, Alaska könnte sich zu einem Swing State entwickeln.

Die sicheren Staaten

Die restlichen Staaten sind aufgrund ihres bisherigen Wahlverhaltens und ihrer demographischen Struktur eindeutig einem Lager zuzurechnen. Joe Biden hat 183 Stimmen sicher, Donald Trump 122. Es gibt zwar einige wenige Umfragen, die darauf hindeuten, dass es in einigen dieser Staaten dieses Mal knapper ausgehen könnte (in Arkansas, wo Donald Trump mit mehr als 20 Punkten Vorsprung siegte, liegt er laut einer neuen Umfrage nur zwei Punkte vor Joe Biden), Stand jetzt dürften diese allerdings nur Ausreißer sein. Ein blaues Oklahoma oder ein rotes Kalifornien werden wir im November nicht sehen.

Fazit

Im Moment hat Joe Biden einen leichten Vorteil gegenüber Donald Trump. Mit 248 Stimmen, die eher seinem Lager zuzuordnen sind, liegt er deutlich näher an der magischen Marke von 270 Wahlleuten als Donald Trump mit 188 Stimmen. Es sind allerdings noch mehr als vier Monate bis zur Wahl, in denen viel passieren kann. Die heiße Phase des Wahlkampfs beginnt erst – seien wir gespannt.

Beitragsbild: unsplash.com / Jp Valery

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