Volt ist die neue pan-europäische Partei. Der Name soll explizit Spannung symbolisieren. In der Europawahl konnte sie sich einen Platz im Europäischen Parlament sichern. Doch was macht Volt aus? Welche Ideen stecken dahinter? Und wie sieht es mit den United States of Europa aus? Wir haben mit Daniel Stöckmann gesprochen, Leiter vom Volt-City-Team Saarbrücken.
Der Jungreporter: Die Volt Partei versteht sich als erste pan-europäische Partei. Was kann man darunter verstehen?
Daniel: Wir sind die erste Partei, die versucht, indem sie in allen europäischen Ländern als Partei eingetragen ist, ein gleichzeitiges und gleichmäßiges Grundsatzprogramm zu haben. Es gibt auch schon andere gut vernetzte Bewegungen, doch ein gemeinsames Grundsatzprogramm haben sie nicht. Die meisten Bewegungen sind national gegründet und haben dann gemerkt, dass sie Gemeinsamkeiten haben. Wir haben es genau andersherum gemacht: Wir haben uns auf europäische Ebene gegründet und haben angefangen, ein Grundsatzprogramm zu erarbeiten und haben uns dazu im Herbst letzten Jahres in Amsterdam getroffen und die „Amsterdam Declaration“ verfasst. Die gilt für alle Mitgliedsstaaten, in denen Volt auch aktiv ist. Da sind wir zurecht etwas stolz drauf. Das ist etwas pan-europäisches, dass man zuerst etwas Europäisches macht und nicht zuerst etwas Nationales.
Der Jungreporter: Das Programm der Volt-Partei ist in ganz Europa angepasst. Die „Amsterdam Declaration“ ist das Volt Wahlprogramm. Welche politische Richtung folgt Volt? Eine bestimmte oder eine ganz eigene?
Daniel: Das ist immer schwierig, das fragen uns ganz viele Neumitglieder und Wähler, wenn man auf der Straße Wahlkampf macht. „Wo muss ich euch denn einordnen, seid ihr eher Liberal oder Konservativ“, das fragen sie immer. Mit der Frage tun wir uns auf der einen Seite sehr schwer, auf der anderen Seite machen wir es uns mit der Frage sehr einfach. Wir sagen mittlerweile ganz bewusst: So eine Einordnung wollen wir nicht. Auf den ersten Parteitagen gab es auch Diskussionen darüber, es wurde schnell klar, dass wir sowas nicht wollen. Den Satz den wir verfolgen ist vielleicht nicht prinzipiell neu, aber für Parteien neu: Ein vernünftiger best-practice Ansatz. Wir schauen uns an, was wo funktioniert und dann ist es uns im Prinzip egal, ob das eigentlich Liberal, Grün oder Konservativ oder sonst irgendwas ist. Nichtsdestotrotz kann man sich in bestimmten Thematiken einordnen. Wir sind wirtschaftlich tendenziell bestimmt liberal, wir sind was Klimapolitik angeht eher Grün. Da etwas Gesamtes draus zu machen wollen wir bewusst nicht, selbst wenn das mittlerweile ginge. Wir wollen neu denken und uns nicht in eine Schublade einsperren.
Der Jungreporter: Ihr wollt euch also nicht einordnen. Hat die Volt Partei Werte im Allgemeinen?
Daniel: Das auf jeden Fall. Wir sind eine Partei, die grundlegend demokratische, humanistische und moralische Vorstellungen hat. Wenn man unsere Wahlplakate anguckt merkt man ja, dass wir uns einen Redenaustausch wünschen, dass wir gegenseitigen Respekt für selbstverständlich erachten. Wenn man weiter ins Detail guckt, dann sind wir wieder in irgendwelchen Spezialressorts wo wir uns verweigern, generell nur in eine Richtung zu denken.
Der Jungreporter: Bei der Europawahl konnte man rund 0,7 % der Stimmen in Deutschland erzielen. Wie können sich die Volt-Mitglieder diesen Erfolg erklären?
Daniel: Ich versuche es mal auf zwei Seiten zu sagen. Wenn man am Wahlabend, am Sonntag, vielleicht kurz vor 18:00 Uhr, bevor die ersten Prognosen rausgekommen sind, gefragt hätte, wie haltet ihr denn eure Chancen für möglich, hätten sicherlich viele etwas Anderes gesagt. Natürlich haben die vier oder fünf Kandidaten gehofft, in das Europa-Parlament zu kommen. Dann haben wir gebangt, ob es jetzt überhaupt um einen Kandidaten geht oder nicht. 0,6 Prozent war für uns die Hürde die wir brauchten, um einen Kandidaten in das Europäische Parlament zu entsenden. Ich bin damit sehr glücklich, ich weiß nicht, wie das bei den anderen Kandidaten ist, ob sie sich mehr erhofft hatten. Für uns ist es im Durchschnitt ein Erfolg gewesen. Uns gibt es im Grunde genommen zwei Jahren. Aber so richtig ernsthaft, auch als Partei wahrgenommen, gibt es uns in Deutschland seit einem halben Jahr. Ohne dass wir Angstmacher-Thesen verbreitet haben oder irgendwie auf der Straße zu gewalttätigen Aktionen aufgerufen haben in das europäische Parlament gekommen zu sein, finden wir natürlich super. Wir denken, dass gerade in den letzten Wochen ganz viel auf der Straße passiert ist. Menschen haben gemerkt, dass sie sich mehr für Europa interessieren als sie vorher dachten. Sie merken, dass so wie es jetzt ist, nicht geht und haben sich nach Alternativen umgeschaut. Sie haben auch den Wahl-O-Mat benutzt, man hat bestimmt mitbekommen, dass wir damit etwas zu tun hatten. Viele Menschen haben gemerkt, dass Volt eine gute Position für sie ist und sich gefragt, wer sind sie denn? Dass eine Kollaborationsmöglichkeit hat, an der Gründung teilnehmen kann: Wir haben ganz viel Arbeit für zu wenige Personen. Mit 0,7 Prozent merkt man was in der Stimmung, ich denke, dass wir aus dem gleichen Grund wie die Grünen so gut abgeschnitten haben.
Der Jungreporter: Volt entstand nach dem Brexit. Welche Motivation steckte in den Gründungsmitgliedern?
Es sind ja drei Gründungsmitglieder, eine Französin, Colombe Cahen-Salvador, ein Italiener, Andrea Venzon, und ein Deutscher, Damian Boeselager, die sich im Studium kennengelernt haben. Sie haben auch wegen der „Generation Erasmus“ gemerkt, dass sie grenzüberschreitend arbeiten wollen. Sie haben sich deshalb einfach gedacht, eine Partei zu gründen. Wenn man sie damals gefragt hätte, hätten sie niemals gedacht, dass sie in zwei Jahren so weit gekommen sind. Ich glaube, sie waren einfach frustriert.
Der Jungreporter: Mit diesem Ergebnis fällt auch ein Sitz im Europäischen Parlament. Welche Signale wird Damian Boeselager, der designierte Volt-Abgeordnete, setzen können?
Daniel: Gerade heute habe ich noch eine Telefonkonferenz gehabt, in der es darum ging, an welcher Fraktion er sich anschließen soll. Wir haben überlegt, wie man das entscheiden kann und auch gesehen, dass er der Einzige aus den europäischen Ländern ist, der einen Platz im Europäischen Parlament bekommt. In den anderen Ländern, wo Volt angetreten ist, waren zwar teilweise die Ergebnisse besser, aber die Sperrklauseln zu hoch. Kein anderer Kandidat konnte reinkommen. Uns war klar, dass wir als europäischer Parteienverbund das nicht deutschlandweit entscheiden werden, sondern hundertprozentig europaweit. Jetzt fangen alle City-Teams, wie wir auch in Saarbrücken sind, sich zu verbinden und abzustimmen, in welcher Fraktion er teilnehmen soll. Morgen früh ist zum Beispiel die nächste Telefonkonferenz, dort wird das Ergebnis bekanntgegeben. Er ist einer von 751 Abgeordneten, also ein kleiner Lila Punkt im Parlament. Der Einfluss auf die anderen Abgeordneten ist natürlich sehr gering, da machen wir uns natürlich nichts vor. Aber er ist der, der den Fuß in der Tür hat und uns sagen kann, wie es läuft. Ich halte es für die Partei Volt für immens wichtig, dass wir ihn dort haben, auch wenn es für die Gesellschaft vielleicht eine Randnotiz ist.
Der Jungreporter: Volt fördert auch einen verstärkten europäischen Föderalismus. In wie weit ist das überhaupt durchsetzbar?
Daniel: Das ist jetzt natürlich die große Frage. Wenn Damian der einzige im Europäischen Parlament bleibt, ist das natürlich nicht durchsetzbar. Wir hoffen aber dass aus diesen 0,7 Prozent bei der nächsten Europawahl die dann neue 5-Prozent Hürde in Deutschland knacken. Wir hoffen, dass wir dann aus allen Volt-Ländern 25 Abgeordnete haben und eine eigene Fraktion gründen können. Denn das ist die Mindestanzahl, die man dafür braucht. Wenn das der Fall ist, hat man das erste Mal ein bisschen substanzieller Macht, weil man sich mit anderen verbinden kann. Darauf arbeiten wir natürlich hin. Volt Italien ist super bekannt, trotzdem ist es sehr schade, dass sie noch nicht mal als Partei zugelassen sind, weil sie 150.000 Unterstützer benötigen. In anderen Ländern wie Frankreich ist es sehr teuer, alles zu bezahlen. Wenn irgendwann alle diese Hürden genommen wurden, davon müssen wir ja ausgehen, dann haben wir tatsächlich die Macht, dass wir das anstreben können. Dann versuchen wir durch kleine Änderungen an diesem System, etwas erreichen zu können. Wir finden, dass Europa super ist, doch jetzt, wie es funktioniert, ist es nicht. Wir wollen deshalb auch europäischen Föderalismus, einen Staatenverbund. Jan Böhmermann hat uns ein wenig auf die Schippe genommen und gesagt „Lasst uns doch die United States of Europe machen!“ Es muss nicht dieser Name sein, aber in der Tat ist das unsere Grundidee. Wir brauchen jemanden an der Spitze und auch eine europäische Armee. Das sind Sachen, die man als Zeichen braucht, auch wenn wir Pazifisten sind und keinen Krieg wollen, um sich als Gemeinschaft zu fühlen. Ich wünsche mir, dass wir irgendwann sehr viel Einfluss nehmen können, um auf die Frage von vorhin zurückzukommen.
Der Jungreporter: Wie groß ist die Saarbrücker Ortsgruppe schon?
Daniel: Saarbrücken ist ein neueres City-Team. Wir sind nicht so wie andere Parteien, die nur in regionalen Orstverbänden gegliedert sind, sondern sind anfänglich Teams aus größeren Städten, die genug Menpower hatten, um ein Team zu sein. Wenn man zum Beispiel nach Idar-Oberstein schaut, da gibt es noch kein Team. Da haben sich vielleicht vier oder fünf Leute angemeldet, aber die sind noch gar kein Verbund. Saarbrücken ist eigentlich ein Konglomerat aus Team Saarland, weil das Bundesland vergleichsweise klein ist. Es melden sich jeden Tag drei-vier Leute an, ich würde tippen dass wir auf dem Papier 35 bis 40 Mitglieder sind. Das darf man aber nicht so verstehen, dass das 40 aktive Mitglieder sind, acht bis zehn aktive Mitglieder gibt es, auf die ich mich verlassen kann. Wir sind selbst finanziert, das meiste was wir bezahlen trage ich Privat, das wird sich wahrscheinlich auch bald ändern. Der nächste Schritt ist es, ein offizieller Landesverband zu werden und nicht mehr ein inoffizielles City-Team. So kompliziert ist das nicht und die Mitgliederzahl dazu haben wir jetzt.
Der Jungreporter: Wir bedanken uns für das Gespräch!