US-Wahl: Zwei Jugendliche, zwei Meinungen

Wahlberechtigte im Alter von 18 bis 24 Jahren machen rund 20 % der wahlberechtigten Bevölkerung der USA aus. Marie und Jake sind zwei amerikanische Studenten, die unterschiedlicher nicht sein könnten.

Wahlberechtigte im Alter von 18 bis 24 Jahren gelten in den USA als “Young Voters”, die rund 20 % der wahlberechtigten Bevölkerung der Vereinigten Staaten von Amerika repräsentieren. Diese junge Generation zeigt sich momentan jedoch gespaltener denn je und die Fronten scheinen sich weiter zu verhärten. Wir haben uns für euch mit Jake und Marie unterhalten, die dieses Jahr zum ersten Mal bei den U.S. Präsidentschaftswahlen ihre Stimme abgeben dürfen. 

Oregon im Oktober 2020 – Noch knapp zwei Wochen bis zur Verkündung der Wahlergebnisse der U.S. Präsidentschaftswahlen am 3. November. Marie kann es kaum noch erwarten, dieses Jahr nun auch endlich selbst an dieser Wahl teilnehmen zu dürfen. Welchem Erstwähler geht es nicht so? Endlich kann man mit seiner Stimme etwas bewirken und zur Veränderung beitragen. Doch Veränderungen und Reformen sind genau das, was Marie mit ihrer Stimme nicht bewirken will. Sie setzt ihr Kreuz auf dem Wahlzettel, der gerade erst ins Haus geflattert ist, ohne zu zögern, in das kleine Kästchen, neben dem der Name “Donald John Trump” gedruckt ist. Ein kurzes Video von ihrem Debüt als Wählerin postet die 20-jährige Medizinstudentin dann noch schnell online auf einem ihrer Social Media Accounts, auf denen sie sich regelmäßig zu ihrer wohlgesinnten Einstellung gegenüber dem vor allem in der U.S. amerikanischen Jugendkultur kontrovers diskutierten Republikaner bekennt.

Marie ist 20 Jahre alt und wählt zum ersten Mal den US-Präsidenten – Foto: Privat

Zur selben Zeit erreicht auch Jake ein Umschlag mit seinem Wahlzettel, den er mit gemischten Gefühlen öffnet. Jake ist Maschinenbaustudent an der renommierten Oregon State University und bezeichnet sich selbst als liberalen Demokraten. Für ihn scheint seine Erstwahl besonders schwierig zu sein und bereitet dem 19-Jährigen nun schon seit Wochen schlaflose Nächte. Jake sieht sich als Wähler in einem wie er es beschreibt “politischen Dilemma” gefangen, denn er kann sein Kreuz heute nicht ohne jeglichen Zweifel und aus voller Übersetzung für das in seinen Augen “geringere Übel” Joe Biden setzen. Doch wenn Jake eins weiß, dann, dass er unter keinen Umständen mit seiner Stimme die Wiederwahl von Donald Trump begünstigen will und jede Wahl besser ist, als die für den amtierenden Republikaner. 

Während es für Jack unerklärlich ist, wie Trump es überhaupt in erster Linie im Jahr 2016 in das Amt des Präsidenten schaffen konnte, lässt Marie keine Gelegenheit aus, ihre Bewunderung für “President Trump”, wie sie ihn konsequent und gleichermaßen mit Stolz während unseres gesamten Gespräches betitelt, zum Ausdruck zu bringen. In ihrer Lobrede auf den aktuellen “Mister President” geht Marie mit besonderem Nachdruck auf Trumps wirtschaftliche Erfolge in der zurückliegenden Legislaturperiode ein. Ja, faktisch befand sich die US-Wirtschaft bis zum Einbruch während der Corona-Krise in dem längsten Aufschwung der jüngeren Geschichte. Doch dieser Aufschwung hielt schon seit 2009 unter Obama an und kann somit nicht als absolutes Produkt der Trump’schen Wirtschaftspolitik angeführt werden. 

Jake studiert Maschinenbau in Oregon und wählt das erste Mal einen US-Präsidenten – Foto: Privat

Besonders in der Debatte um die Corona-Krise wird deutlich, wie schwer die Teilung der USA in zwei Lager wiegt: Jüngste Umfragen der Quinnipiac University Connecticut zeigen, dass etwa 59% der Amerikaner die Covid-19 Pandemie als “außer Kontrolle” geraten einstufen, während 35% die Pandemie und ihren Verlauf als noch völlig ,,unter Kontrolle‘‘ ansehen. Solch eine Zuversicht und ein derartiges Vertrauen, die knapp ein Drittel der amerikanischen Bevölkerung, so auch Marie, im Umgang mit der Pandemie durch die derzeitige Regierung in sich trägt, hat wohl nicht zuletzt mit den leeren Versprechungen Trumps zu tun. So verkündete Trump am vergangenen Donnerstag bei der letzten Debatte vor der Wahl stolz, dass ein Corona-Impfstoff in den nächsten Wochen auf den Markt kommen werde. Die Realität sieht jedoch anders aus: aktuell zählen die Vereinigten Staaten täglich rund 70.000 Neuinfektionen und 1.000 Todesfälle. Des Weiteren ist zu erwarten, dass die Fallzahlen der USA ihren Höhepunkt erst Mitte Dezember erreichen werden, da auch die Entwicklung eines Impfstoffs von Gesundheitsexperten frühestens für Dezember 2020 prognostiziert wird. 

Doch selbst wenn ein Impfstoff auf den Markt gebracht werden kann, bedeutet das noch lange nicht, dass jeder US-Bürger zu diesem Zugang hat. So zählen auch Marie und Jake zu den über 20 Millionen Amerikanern, die über den sogenannten “Affordable Care Act” (ACA), besser bekannt als “Obama Care”, versichert sind. Diese Errungenschaft des 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten wurde in der Vergangenheit von Trump als ,,unzumutbare Belastung‘‘ für den mittelständigen Bürger beschrieben. So sah der ACA den Erwerb einer Krankenversicherung als verpflichtend an, um die die jeweiligen Versicherungsbeiträge für einzelne Versicherungsnehmer in einem moderaten und fairen Preisrahmen zu halten. Dieses Prinzip des “individual mandates” setze Trump bereits im Jahre 2017 ab. Doch nun will Trump noch weitergehen: er hat bei dem Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten von Amerika, dem Supreme Courts, bereits seinen Antrag auf die völlige Außerkraftsetzung des ACA eingereicht. 

Gesundheitsvorsorge ist kein Privileg, sondern ein Recht.

Demokratischer US-Präsidenschaftskandidat Joe Biden

So war auch dieser Vorstoß des Präsidenten Gegenstand der aktuellen US-Präsidentschaftsdebatte, in der sich Trump hinsichtlich der Folgen seines Antrages gelassen zeigt. Hier beruft er sich auf 180 Millionen privilegierte Menschen, die in den USA eine Privatversicherung besitzen, mit der sie “mehr als zufrieden sind”, so der amtierende US-Präsident. Blickt man jedoch auf die letzen Monate zurück, so muss man feststellen, dass in Zeiten der Pandemie rund 10 Millionen dieser Menschen ihre Privatversicherung verloren haben und nun umso mehr auf die Vorteile eine staatlich subventionieren Versicherung angewiesen sind. Biden sieht die Lösung für diese Missstände im Gesundheitssystem der USA in dem Ausbau des Affordable Care Acts. 

Doch ob er dieses Vorhaben durchsetzen kann oder ob mehrere Millionen US Bürger künftig um ihre stabile Versicherung bangen müssen, wird wohl erst am dritten November mit Wahl des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika geklärt. 

“Wir blicken mit großer Spannung auf die politische Zukunft unseres Landes und wollen nun endlich Gewissheit über den Ausgang der Wahlen.”, in diesem Punkt sind sich Marie und Jake einig.

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